Es ist nur eine kurze, niveaulose Passage in einem langen Interview, der man eigentlich gar keine Beachtung schenken dürfte. Wäre sie nicht so symptomatisch für den Umgang mit den Südländern in Europa und würde sie nicht von Jeroen Dijsselbloem kommen, einer der zentralen Figuren in der europäischen Krise der vergangenen Jahre.

Man könne nicht sein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend um Unterstützung bitten, sagte der niederländische Finanzminister und Vorsitzende der Eurogruppe in einem Interview der deutschen "FAZ". Das gelte auf persönlicher Ebene, aber auch auf europäischer. Auf wen er damit anspielt, ist klar: auf die Espresso schlürfenden Italiener, die Siesta machenden Spanier und die in der Hängematte liegenden Griechen.

Während sie es sich gutgehen lassen, müssen die hart arbeitenden Nordländer, die Niederländer, die Deutschen, für ihre Rechnungen aufkommen. Auch wir Österreicher fühlen uns davon angesprochen, gehören natürlich zu den Fleißigen. Es wäre schon schlimm genug, wenn ein europäischer Spitzendiplomat nur Stereotype wiedergeben würde, die in vielen Ländern Europas tief verwurzelt sind.

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Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem.
Foto: reuters / vidal

Er aber verstärkt diese Stimmungen auch noch. Nicht ohne Konsequenzen. Denn diese Vorurteile haben die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre massiv beeinflusst. Wenn viele Finanzminister der Eurogruppe auf noch härtere Einsparungen in Athen pochen, dann machen sie das auch mit Blick auf die Stimmung im Berliner Boulevard, in den Wiener Beisln und in den Amsterdamer Fabriken.

Wenn sich die Politik dadurch auf kontraproduktive Maßnahmen versteift und – so passiert – ihren Teil dazu beiträgt, ein Land in den Ruin zu führen, dann ist das eine Tragödie. Dann leidet unter den Vorurteilen nicht nur die europäische Solidarität, sondern das ganze Projekt Europa. Denn eine dringend notwendige tiefere Integration der Eurozone wird dadurch undenkbar.

Dijsselbloems Äußerung ist ein geistloser Ausdruck dieses Symptoms, unter dem ein ganzer Kontinent und dessen Zukunft leidet. (Andreas Sator, 22.3.2017)