"Die politischen Straßenkundgebungen in Wien sind dem Gewerbe äußerst schädlich. Es ist unerträglich, hier weiter ruhig zuzusehen." Diese Sätze stammen nicht etwa aus dem Jahr 2017, sondern standen am 11. März 1938, also in der Zeit des Austrofaschismus, in der "Reichspost". Umso seltsamer, dass dieses Thema auch heute, in einer Demokratie, noch eine Rolle spielt.

Das Demonstrationsrecht sollte eigentlich wie die Pressefreiheit außer Streit stehen. Das tut es aber nicht. Ja, es ist verständlich, dass ein Cafetier in der Wiener Innenstadt einen Kundgebungsbann forderte, nachdem sein Gastgarten beschädigt wurde. Ausschreitungen sind nicht zu tolerieren, dafür ist aber die Polizei zuständig.

So gesehen ist die Einigung über die "Schutzzonen" durchaus begrüßenswert. Wenn die Exekutive verfügen kann, dass zwischen Manifestanten und Gegendemonstranten 50 bis 150 Meter Abstand sein müssen, kann das durchaus zur Deeskalation beitragen. Aber unbegreiflich ist, dass Innenminister Wolfgang Sobotka noch immer mit der SPÖ darüber verhandeln will, eigene "Demozonen" einzurichten, um Geschäftsstörungen zu vermeiden.

Mit Verlaub, die Stadt gehört allen Bewohnern, die auch ihre Meinung kundtun dürfen. Und wenn Unternehmer zwei Stunden lang weniger Umsatz machen, kann das einfach kein Grund sein, Kundgebungen in die Pampa zu verbannen. (Michael Möseneder, 21.3.2017)