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Bei einer Demonstration in der zentralweißrussischen Stadt Bobruisk am 12. März tragen Menschen ein Plakat mit der Aufschrift "Biber (Ein Spitzname für die Einwohner von Bobruisk) sind keine Sklaven" durch die Straßen, um ihren Unmut über das Dekret des Präsidenten kundzutun.

Foto: VASILY FEDOSENKO/Reuters

Die "Fünfte Kolonne" steht wieder hoch im Kurs. Für die jüngste Nennung zeichnet Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko verantwortlich: Am Dienstag sprach er von "mehreren Dutzend inhaftierten Kämpfern", die, über Polen und Litauen finanziert, in ukrainischen Camps ausgebildet worden seien, um Aufstände in Weißrussland zu inszenieren und die Lage im Land zu destabilisieren.

Anlässlich landesweiter Demonstrationen gegen Lukaschenko sind nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation mindestens 57 Menschen festgenommen worden. Spezialeinheiten hätten am Samstag das Büro der Organisation Wjasna in der Hauptstadt Minsk gestürmt und die Mitarbeiter mitgenommen, teilte die NGO auf Twitter mit. In vier weiteren Städten kam es ebenfalls zu Festnahmen.

Lukaschenko, der seit 1994 die Geschicke des neuneinhalb-Millionen-Einwohner Landes autoritär lenkt, steht schon mehrere Wochen massiv unter Druck. Sein Dekret über die "Verhütung sozialen Schmarotzertums", das durch eine Steuer auf Arbeitslosigkeit die Bevölkerung zu mehr Leistung anregen soll, sorgt seit Ende Februar für – verbotene – Straßenproteste.

Mit Steuern gegen Arbeitslosigkeit

Konkret sollen Personen, die mehr als sechs Monate im Jahr keiner geregelten Arbeit nachgehen, umgerechnet etwa 225 Euro Strafe pro Jahr zahlen. In einem Land mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 485 Euro ist das nicht wenig. Das weißrussische Verfassungsgericht erklärte das Gesetz, das bereits 2015 eingebracht wurde, nach einer Abschwächung im heurigen Jänner für verfassungskonform.

Bis Mai 2016 hatten die betroffenen Bürgerinnen und Bürger Zeit, sich selbstständig bei einer offiziellen Stelle zu melden und "einen Beitrag zur staatlichen Infrastruktur zu leisten." Dies taten etwa 4.000 der 400.000 bis 500.000 "Schmarotzer", die es nach Angaben von Regierungsvertretern im Land gäbe.

Inmitten der Proteste, die Ende Februar in mehreren Städten aufflammten, verteidigte Lukaschenko am 9. März die Sinnhaftigkeit seines Projektes. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung sei auf Sabotage vonseiten seiner Mitarbeiter, unter anderem seines Premierministers, des Chefs des Präsidentschaftsadministration und mehrerer Gouverneure zurückzuführen. Ungeachtet seiner verbalen Standfestigkeit ruderte der Staatschef bei der Umsetzung aber zurück. Bis genau geklärt sei, wer auf der Liste der "Schmarotzer" lande, sei das Dekret ausgesetzt, sagte er in seiner Rede vor zwei Wochen.

Die Angst der harten Hand

Die protestierende Bevölkerung konnte das nicht beruhigen. Das grundsätzliche Beharren auf dem "ideologischen und moralischen" Wert seines Dekrets, mit dem der Präsident der stotternden weißrussischen Wirtschaft Auftrieb verleihen möchte, stößt nicht nur bei eingeschworenen Gegnern Lukaschenkos auf erbitterte Gegenwehr, sondern auch bei einer breiten Schicht von armen, eher unpolitischen Weißrussinnen und Weißrussen.

Die bisher größten Demonstrationen sind für Samstag geplant, dem "Tag der Freiheit". Schon seit Wochen wartet das ganze Land gespannt darauf, wie die Sicherheitskräfte an diesem inoffiziellen Feiertag der national orientierten Weißrussinnen und Weißrussen auf die Proteste reagieren werden.

Lukaschenko, der auf die Aufhebung der 2016 bereits gelockerten EU-Wirtschaftssanktionen hofft, sitzt in einer Zwickmühle. Er kann die Proteste nicht einfach niederknüppeln, wie dies etwa bei den Großdemonstrationen gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahlen 2010 geschah. Genauso wenig kann er sein Dekret zurückziehen, was als eindeutiges Zeichen der Schwäche des Autokraten ausgelegt würde, wie ein Kommentatoren meinen. Wenn sich der Staatschef hingegen entschließt, die Proteste einfach auszusitzen, könnten sie immer weitere Kreise ziehen.

In diese aufgeheizte Stimmung, in der das weißrussische Internetportal "tut.by" schon von einer "erwachten" weißrussischen Gesellschaft spricht, "in die das politische Leben zurückkehrt", platzen nun die Nachrichten von der Verhaftung subversiver Bewaffneter.

Feind von außen

Die verbotene weißrussische Menschenrechtsorganisation "Wjasna" (Frühling) veröffentlichte am Mittwoch eine Liste von 17 Personen, die inzwischen wegen "Massenunruhen" festgenommen wurden. Laut Lukaschenko wollten sie "die Regierung und den Präsidenten stürzen." Es handle sich nicht um eine Opposition, sondern um eine von außen gesteuerte Rebellion.

Einer der Verhafteten ist Miroslaw Losovskij, ein ehemaliger Führer der nationalistischen paramilitärischen Jugendorganisation "Weiße Legion", die von den 1990er Jahren bis zu ihrem Verbot 2008 Oppositionsveranstaltungen "beschützte". Unter den Inhaftierten sind auch mehrere Soldaten.

Lukaschenkos Worte, die Kämpfer seien in der Ukraine ausgebildet worden, sind von hoher Brisanz, schwebt doch über den derzeitigen Ereignissen wie eine Drohung der Winter 2013/14, als die Maidan-Proteste in Kiew zur Revolution ausarteten.

Am Donnerstag ließ der Vorsitzende des weißrussischen Repräsentantenhauses, Wladimir Andrejtschenko, derweil mit der Mitteilung aufhorchen, das Parlament plane Anhörungen über die Abschaffung oder Modifikation der Todesstrafe. (Florian Supé, 23.3.2017)