Weise, amüsante, merk- und denkwürdige Unterhaltungen über das Leben, die Liebe und den unausweichlichen Tod: André Heller hat Gespräche mit seiner Mutter in einem Buch veröffentlicht.

Foto: Georg Molterer

Wien – "Du warst manchmal so von oben herab, als ob du schweben würdest", antwortet Elisabeth Heller einmal auf die Frage ihres berühmten Sohnes André, worin denn der Unterschied zwischen ihnen beiden bestünde. Nein, keine Zeit für Schonungen und Schönungen, Hellers Mutter ist 102 Jahre alt – und ehrliche Direktheit vielleicht eine Gnade würdevollen Alterns.

Über viele Jahre, so liest man in dem soeben erschienenen Buch Uhren gibt es nicht mehr. Gespräche mit meiner Mutter in ihrem 102. Lebensjahr, begegneten einander Mutter und Sohn eher distanziert: Hier der angeblich hochmütige, selbstbewusste Sohn, der sich todesmutig in die Verwirklichung seiner Träume stürzte. Da die ängstliche Mutter, die – "erstaunlich opportunistisch", wie Heller schreibt – Konflikten lieber aus dem Weg ging. "Meine Mutter ist im Älterwerden weicher, zärtlicher geworden, manchmal sieht man jetzt bis auf den Grund ihrer Seele", diagnostizierte der Poet, Sänger, Zirkusdirektor, Regisseur und Gartengestalter schon vor ein paar Jahren.

Nun hat er sich zu seinem 70. Geburtstag mit dem Gesprächsbüchlein die vielleicht schönste Gabe selbst beschert. Über die späten Erkenntnisse der alten Dame schreibt er, aber auch von seinem eigenen philosophisch-spirituellen Reservoir, aus dem er für sich und die Mutter Trost schöpft.

Klarheit und Tabulosigkeit

"Mit neunundneunzig, nun schon Tag und Nacht von herzensgebildeten Pflegerinnen der Malteser betreut, öffnete und durchschritt sie bisher verborgene Türen in ihrem Wesen. Und sie traute sich zu, ihr Selbstverständnis noch einmal von Grund auf neu zu gestalten", schreibt Heller im einleitenden Kapitel. "In ihrem hundertzweiten Jahr schließlich wurden Gespräche möglich, die mich in ihrer Klarheit, Tabulosigkeit, Originalität und Innigkeit begeisterten."

Es sind in ihrer Lakonie weise, amüsante, aufrichtige, im buchstäblichen Sinn merk- und denkwürdige Unterhaltungen zwischen Mutter und Sohn über das Leben, die Liebe, über Irrungen und Wirrungen auch im Verhältnis zueinander, über Ängste, Abschiede, das Alter und den unausweichlichen Tod. "Ich bin die Allerletzte von den anderen, auch nicht gerade eine Gnade", sagt die betagte Dame einmal trocken. "Bin ich nicht irgendwie krank? Wenn ich nicht krank bin, wie soll ich dann sterben? ... So vieles ist unwürdig. Das ganze sinnlose Am-Leben-Sein ohne die alte Lebendigkeit ... Und alle wollen einen schon los sein und am meisten ich mich selbst."

Später einmal wird sie dann sagen: "Zum Altwerden braucht man Disziplin. Richtig schlamperte und unachtsame Menschen werden nicht sehr alt. Die Disziplin ist eine Paketschnur, die einen zusammenhält, vor allem die Gesundheit."

"Bist du eine Meisterin?", fragt Heller seine Mutter. Ihre Antwort: "Im Altwerden auf jeden Fall. Das muss man auch können. Mir dämmert jetzt einiges. Spät, aber doch." (Andrea Schurian, 22.3.2017)