Kein Gefühl, keine Laune, keine Krankheit: künstliche Intelligenz als Vorgesetzte – der kommende Trend?

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Die Automatisierung schreitet immer schneller voran. Die US-Anwaltskanzlei Baker & Hostetler hat einen "Robo-Anwalt" eingestellt, der juristische Fachliteratur auswertet und Gesetzesänderungen beobachtet. Der japanische Lebensversicherer Fukoku Mutual Life Insurance plant, 30 Prozent seiner Mitarbeiter in der Abteilung Schadensbemessung durch künstliche Intelligenz zu ersetzen.

Apples Auftragsfertiger Foxconn kündigte jüngst an, dass Fabriken in China künftig automatisiert und alle menschlichen Mitarbeiter durch Roboter ersetzt werden. Und die Nachrichtenagentur AP will bis zum Jahr 2020 gut 80 Prozent ihrer Content-Produktion automatisieren. Journalisten, Juristen, Ärzte – keine Berufsgruppe bleibt von der Automatisierung verschont, auch nicht die Management-Klasse.

Künstliche Intelligenz statt Fleisch und Blut

Aber es tut sich noch mehr: Der US-Hedgefonds Bridgewater Associates will Manager durch künstliche Intelligenzen ersetzen. Wie das Wall Street Journal berichtet, arbeitet das Unternehmen an einer Software, die einen Teil der Management-Aufgaben automatisieren soll: Personalplanung, Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern sowie langfristige strategische Entscheidungen. Dazu wurde bereits Anfang 2015 eine eigene Einheit, das "Systematized Intelligence Lab", unter Leitung von David Ferrucci, der an der Entwicklung von IBMs Superrechner Watson beteiligt war, aufgebaut. Das Team tüftelt in geheimen Laboren an einem Algorithmus, der nach dem menschlichen Gehirn modelliert sein soll.

Das Buch der Zukunft

CEO Ray Dalio nennt das Projekt geheimnisvoll "Das Buch der Zukunft". Bridgewater ist der weltweit größte Hedgefonds. Er verwaltet ein Vermögen von 160 Milliarden Dollar.

Die Vision ist, dass durch die Automatisierung der Entscheidungsprozesse Zeit gewonnen wird und die emotionalen Schwankungen der menschlichen Mitarbeiter eliminiert werden. Manager erwischen zuweilen einen schlechten Tag und machen Fehler. Im Hedgefonds-Business kann das Millionen kosten. Die Maschine ist dagegen hellwach und fehlerfrei.

Der Algorithmus ist nicht gierig, launisch oder nervös, er führt mechanisch das aus, wozu er programmiert wurde. Bridgewater ist in hohem Maße datengetrieben. Meetings werden aufgezeichnet und digitalisiert, Mitarbeiter bewerten ihre Kollegen anhand 60 verschiedener Attribute mit einer "Dot Collector"-Software. Das Datenlabor hat ein Tool entwickelt, das die Bewertungen in "Baseball Cards" übersetzt, bei denen die Stärken und Schwächen der Mitarbeiter wie bei einem Autoquartett dargestellt werden. Bridgewater hat auch eine App namens "Dispute Resolver" entwickelt, die Konflikte unter Kollegen auf Grundlage algorithmischer Vorschläge zu regeln sucht. Die Maschine als Mediator.

Die Automatisierung an den Finanzmärkten ist nichts Neues. Robo-Advisor managen schon seit Jahren automatisiert das Portfolio von Investmentkunden. Und im Hochfrequenzhandel vollziehen Algorithmen in Mikrosekunden Transaktionen. Dass Hedgefonds jedoch interne Abläufe automatisieren und Manager durch KI-Systeme ersetzen, ist eine neue Entwicklung.

Bessere Manager?

Devin Fidler, Forschungsdirektor am Institute For The Future, nannte Bridgewaters Pläne "ambitioniert, aber nicht unrealistisch". "Ein großer Teil des Managements umfasst prinzipiell die Verarbeitung von Informationen, und darin ist die Software sehr gut", sagte er dem Guardian. Computersysteme können massenhaft Daten verarbeiten und Marktentwicklungen prognostizieren.

Darin sind sie dem Menschen überlegen. Fidler hat 2015 den Prototyp eines Roboter-Managers ("iCEO") programmiert, der für die Erstellung eines Unternehmensberichts Autoren auf Amazons Crowdworkingplattform Mechanical Turk anheuerte. Nach drei Tagen stand der komplette Bericht, ohne dass die Programmierer groß eingreifen mussten. Der Computer hat das Projekt allein gemanagt.

Wer sind wir?

Sind Computer die besseren Manager? Besitzt ein KI-System Führungsqualitäten? Das Versprechen von Roboterchefs und Robotermanagern ist, dass sie vorurteilsfrei und nur nach Ansehung der Daten entscheiden. Die Maschine interessiert nicht, ob ein Bewerber in der Bronx oder in Beverly Hills aufgewachsen ist, welche Ansichten er hat und ob er den Habitus hat, der Absolventen von Elite-Unis eignet. Doch die Frage ist, ob Menschen die Arbeitsanweisungen von Maschinen als legitim empfinden.

Wie würde der Angestellte reagieren, wenn die Software sagt: "Ab heute sind Sie nicht mehr für das Projekt zuständig." Oder: "Sie sind gefeuert!" Würde man das akzeptieren? Lässt sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers auf Computer delegieren? Bislang fiel die Herr-Knecht-Dialektik zugunsten des Menschen aus. Der Mensch war Koch, die Maschine Kellner. Doch durch die Automatisierung von Führungsaufgaben könnte dieses Verhältnis allmählich kippen – wenn das nicht schon längst im Gange ist. (Adrian Lobe, 20.3.2017)