Der Volkskongress nahm auch den Gesamthaushalt mit einer hohen Neuverschuldung und dem Militäretat an.

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Chinas Premier Li Keqiang nutzte den Abschluss des Volkskongress in Peking, um für ein starkes Europa zu plädieren – ausgerechnet am Tag der Ungewissheit über den Ausgang der niederländischen Wahlen und der Verunsicherung, wie es nach dem Brexit mit der EU weitergeht: "Ich möchte hier besonders betonen: China unterstützt ein vereintes, prosperierendes und stabiles Europa und auch einen starken Euro. Es unterstützt den Einigungsprozess Europas,weil er der wirtschaftlichen Globalisierung, der Multipolarität der Welt und ihrer kulturellen Vielfältigkeit nützt." Li versicherte, er sei "optimistisch über die Zukunft der EU. Wir sehen für China und Europa eine gute bilaterale Entwicklungsperspektive."

Auf seiner traditionellen Pressekonferenz hatte er zuerst die Frage beantwortet, ob Peking Europas Unternehmen verbesserten Marktzugang und gleiche Investitionsbedingungen in der Volksrepublik ebenso verschaffen wollte, wie síe Chinas Unternehmen in Europa vorfinden. Li versprach: EU-Investoren würden in China mit einheimischen Unternehmen gleichgestellt.

Hohes Handelsdefizit

Das nach europäischen Statistiken 2016 mit 137 Milliarden Euro extrem hohe Handelsdefizit mit der EU zugunsten Chinas ließe sich abbauen, wenn Europa seine Hightech-Ausfuhrbeschränkungen lockert. Vor allem, wenn China und Europa ein seit Jahren verhandeltes Investitionsschutzabkommen (BIT) zum Abschluss bringen können. Peking wolle die Gespräche dazu "beschleunigen und hofft auf eine positive Antwort."

Der Premier kann bald selbst ausloten, wie es um das BIT steht. Nach Angaben informierter Stellen in Peking wird Li Ende Mai die EU in Brüssel besuchen. Die Regierungsvisite führt ihn auch nach Deutschland, indem Peking seinen wichtigsten Wirtschafts- und Handelpartner in Europa sieht und um den es gerade mit einer Charmeoffensive wirbt.

Anfang Juli wird Staatspräsident Xi Jinping am G20-Gipfel in Hamburg teilnehmen. Er will den Gipfel auch für eine offizielle Deutschlandvisite nutzen, hieß es in Peking. Als Gastgeschenk und Leihgabe werde er dem Berliner Zoo ein im Woolong-Reservat für Berlin ausgesuchtes Pandabären-Paar mitbringen. Der Zoo feierte schon Richtfest für ein neugebautes Pandagehege.

Fragen über Fragen

Fast drei Stunden lang beantwortete der Premier vorab arrangierte Fragen an ihn in der Großen Halle des Volkes. Nur einmal zeigte er sich überrascht. Eine chinesische Sprecherin für 27 Regierungs-Onlinemedien stellte ihm die "wichtigste Frage". Mehr als 21 Millionen Teilnehmer im Netz hätten sich für sie entschieden: "Was passiert, wenn die 70 Jahre Pachtfrist für unser Hauseigentum und Bodenbesitz abläuft?" Li fragte verduzzt nach, ob das wirklích die alle am Meisten interessierende Frage war.

Die Frage ist heikel, denn sie berührt ein Dogma im marktwirtschaftlich nur halbreformierten System. Chinas Idologie verbietet die Privatisierung von Grund und Boden. Peking erlaubt aber den Verkauf privater Nutzungsrechte für eine Dauer von maximal 70 Jahren. Unklar ist, ob die "Besitzer auf Zeit" danach enteignet werden könnten, oder horrende Pachtsummen für eine Verlängerung zahlen müssen. Li sagte, er verstehe die Sorgen so vieler Landsleute, wie es mit ihrem Eigentum nach Ablauf der Frist weitergeht. Er versicherte, dass "die Nutzungserlaubnis weiterläuft, kein Antrag dafür gestellt werden braucht und der Handel nicht beeinflusst wird." Doch Li gestand ein, dass es keine "gesetzliche Garantien gibt." Der Staatsrat lasse Regelungen dafür gerade erst erarbeiten.

Mehrfach verteidigte der Prenier das von ihm für 2017 geplante Wachstum auf nur "um die 6,5 Prozent". 2016 hatte er "6,5 bis 7 Prozent" vorgegeben. Er kritisierte "ausländische Medien", die das "moderate Verlangsamung" genannt hätten. Li berichtete von einer Beobachtung, die er beim Besuch im berühmten Kampfsport-Kloster Shaolin in Zentralchina machte. Er sah dort junge Kindermönche, die mühelos ein Dutzend Saltos schlugen. Er sag auch erwachsene Kämpfer, die mit nur drei bis fünf Saltos großartig gewesen seien. Schon 2016 hatte der Premier gefordert, Chinas abflachendes Wachstum in Relation zur Größe der Volkswirtschaft zu stellen. "Heute isr jedes Prozent mehr, um das wir wachsen, so wie 1,5 Prozent vor fünf Jahren. Und so wie 2,5 Prozent mehr vor zehn Jahren." China brauche "mittelhohes" Wachstum sagte Li, um für ausreichende Beschäftigung zu sorgen. Mindestens elf Millionen neue Arbeitsplätze müssen 2017 entstehen, eine Millionen mehr als 2016 geplant waren. Dazu belaste Peking ein neuer Rekord von 7,95 Millionen Hochschulabsolventen 2017, der durch fünf Millionen Fachschulabgängern verschärft wird. Alle bräuchten Arbeitsplätze. Erstmals nannte Li auch die Zahl von 720.000 Arbeitern, die vergangenes Jahr ihre Jobs durch den Abbau überschüssiger Stahlwerke und Kohlegruben verloren. China könne Massenarbeitslosigkeit nicht zulassen.

Positive Nachrichten hatte es am Vortag gegeben. Statistikchef Sheng Laiyun hatte auf Grundlage der Januar-.und Februarzahlen 2017 behauptet, dass Chinas Realwirtschaft wieder Fuß gefasst hat. Von 41 Industriezweigen hätten 31 zugelegt.

Doch Peking hatte wieder mal mit Investitionen nachgeholfen. In den ersten beiden Monaten stiegen etwa Anlageinvestitionen um 8,9 Prozent, darunter allein die Ausgaben für Infrastruktur um 27,3 Prozent und die der Staatsunternehmen um 14,4 Prozent. Die schwierige Abnabelung Chinas vom Tropf der Invcstitionen, ist ein Warnzeichen. Bei der Pressekonferenz von Premier Li was das kein Thema. Chinas Wirtschaft halte Kurs, sagte Li, Alle Voraussagen für eine harte Landung nannte er Makulatur. (Johnny Erling, 15.3.2017)