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Es begann bei der Abholung des Mietautos: "Journalistin? Na, da werden Sie viel zu berichten haben." Nein, nein, es sei eine Urlaubsreise. "Um das Thema Trump werden Sie nicht herumkommen." Der Mann am Mietwagenschalter hatte recht. Wohin man in Kalifornien auch kommt, das Thema Trump ist nicht zu vermeiden. Für oder gegen Trump? Nach einem längeren Gespräch werden auch Nicht-Amerikaner gezwungen, Farbe zu bekennen. Die meisten tasten sich aber erst heran über die Frage, wie der neue US-Präsident in Europa so gesehen werde.

Für Mike Wallace in Venice Beach ist das kein Thema. Er braucht sich nicht zu deklarieren, das tut eine Schaufensterpuppe vor seinem Geschäft. "Trump – we shall overcomb" steht auf dem blauen T-Shirt, das mit einem Konterfei von Donald Trump im Stile Andy Warhols geschmückt ist. Er habe noch jede Menge anderer Motive, erzählt Wallace und greift unter die Ladentheke. Vom Slogan "Dump Trump" bis zur Forderung nach Impeachment und #FreeMelania ist alles zu haben – in allen Größen und Farben. Warum er denn die Politkleidungsstücke nicht offen liegen habe? "Wer weiß, was Trump einfällt. Dann lässt er das Geschäft womöglich schließen."

In Venice Beach findet man T-Shirts mit dem Konterfei von Donald Trump – einige sind unter der Ladentheke platziert.
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In Venice Beach, dem leicht vergammelten Stadtteil von Los Angeles, kriegt man allerlei, was man sonst wo nicht offiziell kaufen kann. Die vielen Schilder für Marihuana geben Hinweise. Hinter einigen Türen verbergen sich Wahrsager, in der Nacht säumen Obdachlose den bekannten Ocean Front Walk, die untertags ihre Pappkartons, Matten und Decken in weniger frequentierte Hauseingänge räumen. Hier liegen die Ergebnisse für Trump im einstelligen Bereich, der linke Demokrat Bernie Sanders hätte wohl eine satte Zweidrittelmehrheit bekommen.

Bei Bier und Wein kommt man am ersten Abend nach der Ankunft im Venice Beach Pub auch gleich zur Sache: Trump müsse weg! Nur wie? "Die Russen haben bestimmt noch etwas gegen ihn in der Hand", meint Lee Snyder, der sein Geld als Türsteher verdient. "Wir können nur abwarten."

Das will Will Temper nicht. Der ehemalige Lehrer hat an diesem Morgen einen Stand am Ocean Front Walk aufgebaut: Ein Tisch, eine Decke mit vielen USA-Fahnen und ein großes, bemaltes Leintuch, auf dem in Rot und Blau in großen Buchstaben "Impeach Trump" prangt.

Fast jeden Morgen baut Will Temper seinen Stand am Strand auf. Buttons gibt es zu kaufen, Infomaterial gratis dazu.
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Buttons zu fünf US-Dollar das Stück mit dieser Forderung oder einer nach "Reset" gibt es zu kaufen, Infozettel und ein Gespräch mit dem Cowboyhutträger gibt es gratis dazu: "Ein Amtsenthebungsverfahren ist die einzige Möglichkeit, Trump loszuwerden. Er ist auf legale Weise ins Amt gewählt worden, auch wenn Hillary mehr Stimmen bekommen hat. Wir können ihn nur auf diese Weise aus dem Weißen Haus befördern." Ob Trump nicht von sich aus zurücktreten könnte? "Nein, das ist ein Narziss. Der geht nicht freiwillig", ist sich Temper sicher.

Frederick Meyer, ein Anwalt aus Downtown L.A., ist da ganz anderer Ansicht. Ein Impeachment-Verfahren sei unwahrscheinlich, seine persönliche Einschätzung sei, dass sich Trump nach den Kongresswahlen im November 2018, also den Midterm Elections, verabschiede. Voraussetzung dafür sei allerdings, fügt der Mittvierziger hinzu, dass die Demokraten diese Wahl gewinnen. "Dann wird er die Lust verlieren."

Freundschaften seien bei ihm zu Bruch gegangen, weil sich in den vergangenen Monaten alles um die Frage Trump gedreht habe. "Das ganze Land ist polarisiert", meint Meyer, "und das wird andauern, egal, was Trump macht."

Mit Trump-Unterstützern wolle er zwar nicht befreundet sein. "Aber mir ist durch die Wahl klargeworden: Das, was wir in L.A. oder New York denken, das ist nicht das, was die Menschen im riesigen Land dazwischen denken. Es gibt eine Entkoppelung." Im schicken Restaurant Otium neben dem neuen Museum The Broad zückt er sein Handy: Unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl im November habe er neben jenen der "New York Times", "Los Angeles Times" und CNN auch die App der konservativen Fox News heruntergeladen. "Ich muss mich damit konfrontieren, sonst kriege ich nicht mit, was die andere Seite denkt. Ich muss raus aus meiner Blase, es zumindest versuchen." Denn die Debatte über Filterblasen und den Algorithmus von Facebook habe ihm klargemacht, dass er eine aktive Rolle einnehmen müsse, um sich umfassend zu informieren. Ob er auch mit Trump-Unterstützern diskutiere? Nein, er habe zu keinem Kontakt. "Und inzwischen muss man die wohl suchen."

Zumindest in Imperial Beach fällt das nicht schwer. In dem rund 26.000 Einwohner zählenden Ort unmittelbar an der Grenze zu Mexiko – und mit San Diego praktisch verschmolzen – leben und arbeiten viele Militärangehörige. Der Ort, der damit wirbt, 111 Straßen zu haben, ist die letzte Bastion in Amerika, dahinter ist Mexiko.

Grenze zwischen Kalifornien und Mexiko.
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Tag und Nacht donnern bis zu sechs Hubschrauber gleichzeitig über die Köpfe der Menschen, an das Geräusch gewöhnt man sich schnell, zumal das Donnern des Pazifiks vieles übertönt. Mit Jeeps und auf Pferden patrouillieren die Grenzwächter, das mexikanische Tijuana ist fast zum Greifen nahe, insbesondere bei Abendlicht sind die weißen Häuser und Wohnblocks auf der anderen Seite der Grenze am Hügel und in Meeresnähe gut sichtbar. Der gleichnamige Grenzfluss trennt die beiden Länder. Auf amerikanischer Seite schließt sich ein Sumpfgebiet an: ein Eldorado für Vögel und Ornithologen, aber auch für Schmuggler. Hier gibt es keinen Zaun. Bei Ebbe ist das andere Ufer fast nur in Sprungweite entfernt. Dann sind noch mehr Hubschrauber in der Luft.

In der Sports Bar gleich beim Pier ist man unter sich – gemeint ist unter Gleichgesinnten. Da wird Trump zugestimmt: Endlich unternimmt jemand etwas gegen die Einwanderer! Wir können durchgreifen! Die Probleme werden endlich angepackt! Und darauf trinken sie dann noch ein, zwei Bier und steigen wieder in ihre Jeeps, um in ihre schicken Häuser zurückzukehren, die sie sich mit ihrem guten Armeesold leisten können.

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Von Tijuana Richtung Landesinneres zieht sich der mehr als menschhohe Zaun, der sich durch die Landschaft windet.
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Nur Sarah Sanders bleibt zurück, sie ist sich nicht ganz so sicher: Sie arbeitet als Sanitäterin bei der Armee, wird im Herbst nach Spanien versetzt. Ob man in Europa Trump wirklich so kritisch sehe? Was sie so lese, mache sie schon nachdenklich. "Wir sehen nur uns, nur Amerika." Ob sie wählen gewesen sei? Nein, auch ihr Nachbar Bryce Magris, der sich mit Aushilfsjobs als Elektrotechniker über Wasser hält, hat sich nicht registrieren lassen. Denn Hillary Clinton wollten beide nicht wählen, dann lieber gar nicht.

Eine ganz andere Sichtweise haben diejenigen, die im Trolleybus Richtung San Ysidro sitzen. Nur wenige sehen wie Gringos aus, die meisten sind vollbepackt: Rucksack, beiderseits Taschen, Koffer. Von der Endstation geht es direkt zur Grenzstelle, die mexikanischen Formalitäten sind schnell erledigt, auch die Männer vom Zoll werfen kaum einen Blick darauf, was als Direktimport ins Land kommt.

Mit dem Trolleybus kommt man vom Zentrum in San Diego direkt an die Grenzstation San Ysidro. Die meisten haben viel Gepäck dabei.
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Gleich hinter der Grenze warten Männer mit Schubkarren und bieten Hilfe an. Taxifahrer streiten sich um Kunden, die ersten Schilder mit Zahnarzt und Apotheke kommen, es folgen viele weitere. Die Grenzstadt Tijuana hat sich auch auf die US-Kundschaft eingerichtet: Viagra koste nur 2,50 US-Dollar, locken Schilder mit dem Hinweis "Keep it up", Mexikaner versuchen Hungrige in ihre Restaurants zu lotsen.

Es erinnert an grenznahe Orte in Tschechien, der Slowakei und Ungarn, wenngleich die Gegensätze zwischen hüben und drüben stärker sind. Und immer wieder wird man auch angesprochen, ob man helfen könne, nach Amerika zu kommen. Wer sich als Europäer outet und Spanisch spricht, kann dann die Lebensgeschichten dazu erfahren. Dass andere Familienmitglieder schon "drüben" seien, die Kriminalität in Mexiko so hoch sei und man sich nicht abhalten lasse: Zwischen Ende Oktober und Ende Jänner hat sich die Anzahl der Menschen, die beim illegalen Grenzübertritt erwischt worden sind, verdoppelt.

Auf mehr als einem Dutzend Spuren stauen sich die Fahrzeuge am Grenzübergang San Ysidro, die von Mexiko in die USA einreisen wollen. Die Kontrollen sind intensiv.
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Der mehr als menschhohe Zaun ist auch vom Grenzübergang aus sichtbar, wie er sich durch die Landschaft windet. Die Schlange beim Fußgängerübergang ist unüberblickbar lang, Fahrzeuge nebenan stauen sich auf 15 Spuren. Es geht aber überraschend schnell, 42 Minuten, bis man sich wieder auf der anderen Seite befindet. Fast alle haben US-Pässe, solche aus Europa fallen auf und werden genauer geprüft. Einige Fragen zum jordanischen Stempel im Pass, was man in Mexiko gemacht habe, und noch einige Erinnerungen an Wien werden ausgetauscht: Dann ist man wieder in der anderen Welt.

Dort warten wieder Menschen auf diejenigen, die wieder auf der US-Seite gelandet sind. Aber Briefe und kleinere Mitbringsel werden übergeben. Auch da kann man auf Spanisch schnell ins Gespräch kommen.

"Es traut sich fast niemand mehr, jemandem zu helfen", sagt Enrique Gonzalez. Der Truckfahrer hat einen kurzen Stopp eingelegt, um sich einen Burger bei Denny's in El Centro zu gönnen. Der Grenzort liegt direkt gegenüber von Mexicali und ist rund 180 Kilometer von der Küste entfernt. In dem Ort mit rund 42.000 Einwohnern leben fast nur Menschen, die aus Lateinamerika stammen oder deren Eltern von dort kommen. Spanisch ist die Hauptsprache.

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In der Wüste nahe El Centro patrouillieren US-Grenzschützer auf geländetauglichen Quads, um den Grenzverkehr zu kontrollieren.
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Genau das sei das Problem, meint Jim Mahoney. Man wisse nicht einmal mehr, wo diese Orte hingehörten, allein schon wegen der Sprache und ob man noch in den USA sei. Er selbst lebt "in der Mitte von nichts" im Shelter Valley in einem Wohnmobil und hat deshalb Trump gewählt. "Denn Barack Obama hat nichts getan, um die Situation für die Menschen nach der Finanzkrise zu verbessern. Nichts!" In New York sei er aufgewachsen, viele Jahre habe er in Los Angeles gelebt. Drei Häuser habe er besessen, zwei davon im benachbarten Städtchen Julian, erzählt er im kleinen Geschäft an der S2 im Wüstennationalpark Anza-Borrego, in dem sich alle treffen. Im Umkreis von mehr als zwanzig Kilometern gibt es keine andere Möglichkeit einzukaufen.

Der Nationalpark Anza-Borrego.
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Alles habe er verloren, weil er die Kreditraten nicht mehr bezahlen konnte. "Und wenn du nichts mehr hast, dann landest du in so einer Gegend. Da gibt es auch nichts." Die paar Dutzend Bewohner in der Gegend kennen ihn, engagieren ihn für gelegentliche Handwerkjobs. "Mit Trump wird es aufwärts gehen!" Davon ist der 50-Jährige überzeugt. Wie das Leben in Europa so sei und ob es stimme, dass es Geld für Leute gebe, die keinen Job haben und sogar eine Krankenversicherung? "Entschuldigen Sie, wir Amerikaner wissen einfach gar nichts, was da so vorgeht draußen in der Welt." Er kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, als er die Antwort hört.

Sally, die junge Verkäuferin, mischt sich ein: Könne man tatsächlich nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleiben? "So geht's auch, da hörst du es, und das wird Trump nicht machen", wendet sie sich an ihren Kunden, der auch noch einige Flaschen Bier in seinen Einkaufskorb legt.

Es ist ein anderes Amerika hier: Eines, wo man sich Zeit nimmt. "Die Zeit wird nicht gestohlen hier", erklärt Mahoney zum Abschied, ehe er mit seinem klapprigen Jeep auf einer matschigen Seitenstraße in der Wüste verschwindet.

Viel quirliger geht es dagegen in Palm Springs zu, dem Nobel-Touristenort in der Wüste, in den es schon Hollywoodstars wie Frank Sinatra zog. Hier scheint auch die Zeit stehengeblieben zu sein, aber anders: Die 60er-Jahre werden hier konserviert. Die meisten Bauten sind im Bungalowstil des Modernismus, es gibt Ikonen wie das Haus Kaufmann des aus Österreich stammenden Architekten Richard Neutra zu besichtigen. In den Shops werden viele Designerwaren und Vintagemöbel und -Kleidung verkauft.

Im Souvenirshop am Flughafen von Los Angeles gibt es Toilettenpapier mit Trump-Porträts zu kaufen: 6,95 US-Dollar pro Rolle – made in China und um einen Dollar teurer als in Palm Springs.
AFS

Im Geschäft von Richard Bartlow, der vor allem witzige Postkarten verkauft, stapeln sich neben der Kassa weiße Klopapierrollen, auf denen Donald Trump abgebildet ist. 5,95 US-Dollar das Stück. Ob sich das verkaufe? "Wir haben eine ganze Palette bekommen und nur noch wenige Rollen davon. Die sind ganz schnell weggewesen", berichtet der Geschäftsinhaber. "Trump wird wohl nicht so schnell weg sein", fügt er hinzu.

Kurz vorm Abflug im Flughafenterminal in Los Angeles, nur wenige Meter vom Einstiegsgate entfernt, fallen wieder Klopapierrollen ins Auge, das gleiche Design, ebenso made in China – nur um einen Dollar teurer als in Palm Springs. In diesem Souvenirshop gibt's weitere Anti-Trump-Artikel zu kaufen: "Missing Obama"-Plaketten, "Dumb and Dumber"-Banner und "I am with Stupid"-Buttons: Trump kann man tatsächlich nicht entkommen. (REPORTAGE: Alexandra Föderl-Schmid, 15.3.2017)