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Der Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker wie am Wochenende in Rotterdam hat Europas Beziehungen zur Türkei schwer belastet.

Foto: Reuters / Dylan Martinez

Die Aufrufe zur Mäßigung prallten ab: Statt zu beschwichtigen, holte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in einem am Montagabend veröffentlichten Interview zum Rundumschlag aus. "Verehrte Merkel, du unterstützt Terroristen", sagte Erdogan in einem Fernsehinterview. Deutschland gehe nicht gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor, obwohl sie diese zur Terrororganisation erklärt habe. Damit unterstütze Deutschland "erbarmungslos" den Terrorismus.

Zudem warf Erdogan dem deutschen "Staatsfernsehen" vor, Terrororganisationen zu unterstützen und Propaganda gegen das geplante Präsidialsystem in der Türkei zu machen. Am 16. April stimmen die Türken über ein Verfassungsreferendum ab, das dem Präsidenten mehr Macht verleihen soll. Auch andere bekannte Vorwürfe wiederholte Erdogan: Den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel bezeichnete er als Spion und Terroristen. Der Niederlande warf er "Nationalsozialismus" und "Neo-Nationalsozialismus" vor.

Deutsche Regierung: "Vorwürfe abwegig"

Im Streit um zwei verbotene Auftritte türkischer Minister in den Niederlanden kündigte Erdogan an, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Zudem werde sein Land "alle möglichen Sanktionen" einleiten.

Merkel reagierte zurückhaltend auf den neuen Angriff aus Ankara. "Die Bundeskanzlerin hat nicht die Absicht, sich am Wettlauf der Provokationen zu beteiligen", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. "Sie macht das nicht mit. Die Vorwürfe sind erkennbar abwegig."

Zuvor hatte die EU-Kommission erklärt, sie mische sich nicht direkt in den Streit um Wahlkampfauftritte zwischen der türkischen Regierung und einzelnen EU-Ländern ein. Generell gehe es aber darum, eine weitere Verschärfung der Lage zu verhindern, hieß es. Au ßenbeauftragte Federica Mogherini und der für die Beitrittsverhandlungen zuständige Erweiterungskommissar Johannes Hahn forderten die Verantwortlichen in der Türkei dazu auf, "auf überzogene Aussagen und Handlungen zu verzichten". Präsident Jean-Claude Juncker hatte die Nazivergleiche aus Ankara gegenüber Deutschland und den Niederlanden gleichwohl als "Schande" bezeichnet. In der Kommission geht man davon aus, dass sich die Gemüter nach den Wahlen in den Niederlanden beziehungsweise dem Referendum in der Türkei im April wieder beruhigen werden.

Einfrieren von EU-Geldern

Von einem möglichen Abbruch der Beitrittsverhandlungen ist jedenfalls keine Rede, auch weil die meisten EU-Staaten mit Ausnahme Deutschlands, Österreichs und der Niederlande kaum von den Provokationen der türkischen Führung betroffen sind. Ein Einfrieren von EU-Geldern wurde nicht bestätigt. Auch die Nato bemühte sich um Beruhigung. Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, es müsse Ziel sein, "die Spannungen zu entschärfen". (red, tom, 13.3.2017)