Ministerpräsident Rutte führt Wahlkampf.

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Den Haag / Brüssel / Ankara – Die Nato hat die Türkei und die anderen Bündnispartner im Streit um untersagte Wahlkampfauftritte türkischer Politiker zur Mäßigung aufgerufen. Ziel müsse es sein, "Spannungen zu entschärfen und die Lage zu deeskalieren", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag.

Die EU forderte die Türkei unterdessen auf, "auf überzogene Erklärungen und Handlungen zu verzichten, welche die Lage weiter zu verschärfen drohen".

Verweis auf Nato-Einsatz in der Türkei

Stoltenberg verwies auf den Nato-Einsatz in der Türkei, zu dem auch die Stationierung von deutschen Kampfflugzeugen und Soldaten in Incirlik gehöre. "Die Nato-Präsenz in der Türkei ist gut für die Türkei, aber auch gut für Europa und den Rest der Allianz", sagte er. Sie diene dazu, die Türkei vor einem Übergreifen der Gewalt aus Syrien und dem Irak zu schützen, und helfe gleichzeitig dem internationalen Bündnis im Kampf gegen den IS.

Mogherini: Entscheidung liegt bei Mitgliedsstaaten

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn riefen in einer gemeinsamen Erklärung, dazu auf, "Wege zu finden, um die Lage zu beruhigen". Eine Rolle der EU bei der Entscheidung über die Wahlkampfauftritte sehen sie nicht. Die Entscheidung über deren Zulassung liege bei den Mitgliedstaaten. Sie müsse jedenfalls "in Übereinstimmung mit anwendbaren Bestimmungen des internationalen und nationalen Rechts" getroffen werden.

Niederlande wollen sich nicht entschuldigen

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte schloss unterdessen eine Entschuldigung für die Ausweisung der türkischen Familienministerin und das Einreiseverbot für den türkischen Außenminister aus. "Es steht außer Frage, dass es eine Entschuldigung gibt. Sie sollten sich dafür entschuldigen, was sie getan haben", sagte Rutte am Sonntag am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Den Haag. In der Nacht auf Sonntag war es in Rotterdam zu schweren Krawallen durch Anhänger des türkischen Regimes gekommen.

Zugleich wies Rutte die Vorwürfe des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zurück, der die Niederländer als "Nachfahren der Nazis" und "Faschisten" bezeichnet hatte. "Dieses Land ist, wie gestern der Bürgermeister von Rotterdam betont hat, im Zweiten Weltkrieg von den Nazis bombardiert worden", sagte Rutte der Nachrichtenagentur AFP. Erdoğans Wortwahl sei daher "inakzeptabel".

Reuters

An die Niederländer appellierte er, angesichts der aufgeheizten Stimmung "einen kühlen Kopf zu bewahren". "Wir haben eine hervorragende Gesellschaft, in der ein Großteil der Niederländer mit türkischen Wurzeln integriert ist."

Weitere Schritte

Im Interesse der "Beziehungen innerhalb der EU, mit der Türkei", sei es nun wichtig, "die Lage zu beruhigen", so Rutte. Falls die Türkei aber weiterhin "in aufrührerischer Weise über die Niederlande spricht, müssen wir weitere Schritte in Erwägung ziehen", warnte er. In den Niederlanden leben rund 400.000 türkischstämmige Personen.

Unruhen in Amsterdam

In Amsterdam ging die Polizei nach Unruhen gegen türkischstämmige Demonstranten vor. Sechs Personen seien festgenommen worden, teilte die Polizei Montagfrüh mit. Einige hundert türkischstämmige Niederländer hatten zunächst friedlich in der Stadt protestiert. Gegen 23 Uhr jedoch sollen sich rund 250 Personen auf einem Platz im Westen der Stadt versammelt und dort randaliert haben. Einige Demonstranten hätten die Polizei mit Steinen beworfen, daraufhin habe die Polizei mit Wasserwerfern und Schlagstöcken eingegriffen. In anderen niederländischen Städten blieb es dagegen ruhig, teilte die Polizei mit.

Der Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in den Niederlanden war am Wochenende dramatisch eskaliert. Die niederländischen Behörden verweigerten Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Einreise mit dem Flugzeug und wiesen die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya, die mit dem Auto einreisen wollte, wieder in Richtung Deutschland aus. Die niederländische Regierung hatte zuvor Auftritte beider Minister für unerwünscht erklärt.

In den Niederlanden wird am Mittwoch ein neues Parlament gewählt. Ruttes rechtsliberale VVD konkurriert dabei insbesondere mit Geert Wilders' Partei für die Freiheit (PVV) um Platz eins. (red, APA, 13.3.2017)