Öffentliche Auftragsvergaben auf dem Prüfstand: Österreich ist bei der Umsetzung von EU-Richtlinien säumig und bastelt an Reformen.

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Wien – Es ist ein Konvolut von gut 260 Seiten. Bis 3. April ist es noch in parlamentarischer Begutachtung. Dann sollte klar sein, wohin die Reise bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Österreich geht. Dabei gilt es, eine drohende Klage der EU-Kommission abzuwenden, da Österreich ihre Richtlinie bisher nur unvollständig umgesetzt hat. Wichtigste Hausaufgabe der Novelle ist es, das Prinzip des Bestbieters weiter zu stärken.

Ob beim Bau von Straßen oder neuen Kindergärten, ob beim Kauf von Schulmilch oder von Büromaterial: Reine Preisdebatten sollen an Gewicht verlieren, stattdessen mehr soziale und ökologische Kriterien miteinfließen, um Lohn- und Sozialdumping zu unterbinden. Zu bewältigen ist zudem der Spagat zwischen geringerer Bürokratie und höherer Transparenz.

Bis zu 54 Milliarden Euro

So weit die hehren Ziele. Noch gibt es rund um das Reformgesetz aber vor allem heftige Scharmützel. Immerhin geht es bei öffentlichen Vergaben um ein Ausschreibungsvolumen in Höhe von 35 bis 54 Milliarden Euro. Einheitliche Daten dazu in Österreich fehlen.

Die grüne Nationalratsabgeordnete und Rechnungshofsprecherin Gabriela Moser warnt vor einer weiterhin windelweichen Ausformung der Bestbieterkriterien: Bei der vorliegenden Novelle kommt aus ihrer Sicht vieles zu kurz.

Für Moser völlig an einem objektiven Auswahlverfahren vorbei führt, dass Zuschlagskriterien als Bandbreite angelegt werden können. Das sei praktisch, wenn man gewünschte Anbieter schon vorab kenne und dann Kriterien ans gewünschte Ergebnis anpassen könne. "Ein Schelm, wer hier an Korruptionsmöglichkeiten denkt."

Zudem sei das Prinzip des Billigstbieters weiter zulässig, sofern dies gut begründbar sei – was Mosers Meinung nach in Alibi-Qualitätskriterien münden wird. Standardisierte Leistungen etwa sollen dem günstigsten Bieter überlassen werden dürfen – was in der Folge viel neuen Spielraum gewähre. So zum Beispiel für Callcenter. "Sind diese hochstandardisierte Dienstleistungen und dürfen daher an den Billigstbieter gehen?"

Mehr Transparenz

Was Moser dem neuen Vergabegesetz ebenso stark ankreidet: Zuschlagserteilung ist in Verfahren ohne vorhergehende Bekanntmachung nicht verpflichtend kundzutun. In der Praxis bedeute das, dass freihändige Vergaben weiterhin nicht nachträglich mit Kerndaten zu veröffentlichen seien.

"Wir wollen den gläsernen Staat und nicht den gläsernen Bürger, vor allem dort, wo Steuermilliarden dahinterstehen", sagt Moser. Sie fordert eine zentrale Plattform für alle Vergaben. Dabei gehörten auch Vergaben unter den Schwellenwerten öffentlich elektronisch abrufbar gemacht. Das Bestbieterprinzip müsse zum unumstößlichen Standard werden. Nur explizit gesetzlich genannte, hochstandardisierte Produkte seien davon auszunehmen. "Die Einladung zu Freunderlwirtschaft" durch eine Angabe von Qualitätskriterien als Bandbreite will Moser abschaffen.

Für unabdingbar hält sie rechtliche Unterstützung für kleine öffentliche Auftraggeber mithilfe eines zentralen Vergabesupports. Kriterienkataloge seien bundesweit einheitlich zu formulieren.

"Nichts Unanständiges"

Für den Gemeindebund jedoch sind viele der grünen Forderungen ein rotes Tuch. Dessen Sprecher Daniel Kosak, Vizebürgermeister von Altlengbach, sieht sie in riesigem Verwaltungsaufwand enden. "80 Prozent der Gemeinden haben weniger als 5000 Einwohner, wie viele können dermaßen komplexe Verfahren dann noch abwickeln?"

Bei Großaufträgen brauche es Transparenz, keine Frage. In den Gemeinden aber gebe es für kleinere Projekte genügend Kontrollmechanismen. Die Grünen stoßen sich aus seiner Sicht vor allem an der Grenze von 100.000 Euro bzw. einer Million, unter der Aufträge rasch und unbürokratisch vergeben werden dürfen. "Man tut so, als wäre das etwas Unanständiges, dabei geht es nur ums Abkürzen." In letzter Konsequenz, ärgert sich Kosak, werde eine Gemeinde bald nicht einmal mehr ein Auto eigenhändig ausschreiben können. (Verena Kainrath, 13.3.2017)