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Ein Abschiebeflieger in einem deutschen Flughafen. Die Rücktransporte von Afghanen aus Österreich finden hingegen offenbar auf Linienflügen statt.

foto: dpa/maurer

Wien/Kabul – Im Unterschied zu den umstrittenen Gruppenabschiebungen nach Afghanistan aus Deutschland sind es Rückführungen in Linienflügen, aber deren Zahl nimmt aktuell zu: Insgesamt fünf bis sechs Mal wurden in den vergangenen zwei – und werden in den kommenden zwei – Wochen negativ beschiedene Flüchtlinge aus dem Land am Hindukusch zwangsweise aus Wien in die afghanische Hauptstadt zurückgeflogen.

Dabei wird ganz offensichtlich von der bisherigen Praxis abgegangen, nur Afghanen in ihre Heimat abzuschieben, die straffällig geworden sind – wie es der Leiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Wofgang Taucher, noch im Jänner der Austria Presse Agentur sagte. Ein 19-jähriger Bursch, der im Herbst 2015 als unbegleiteter Minderjähriger nach Österreich kam, sitzt seit wenigen Tagen in Schubhaft. Einer dem STANDARD vorliegenden schriftlichen "Information über die bevorstehende Abschiebung" des BFA in Niederösterreich vom 9. März entsprechend soll er am Montag abgeschoben werden. Laut seinem Anwalt Christian Schmaus ist er unbescholten.

Mehrere Abschiebungen kommende Woche

Der 19-Jährige dürfte am Montag nicht allein abgeschoben werden. Angeblich wurde zumindest ein weiterer junger Mann aus Afghanistan zu diesem Zweck zuletzt in Schubhaft genommen. Und am Donnerstag steht laut Anwalt Schmaus einem weiteren seiner afghanischen Klienten, auch dieser unbescholten, der zwangsweise Rückflug nach Kabul bevor.

Im letzteren Fall, so Schmaus, sei im Schubhaftbescheid von einem existierenden Heimreisezertifikat die Rede. Das ist insofern von Relevanz, als es in Fällen unbescholtener Afghanen bisher genau an solchen Dokumenten mangelte. Die afghanische Botschaft in Wien stellte sie nicht aus. Heimreisezertifikate sind in jedem Einzelfall nötig, um zu garantieren, dass die Abgeschobenen am Flughafen in Kabul auch ins Land gelassen werden. Das Mitte Februar 2017 unterzeichnete Kooperationsabkommen zwischen der EU und Afghanistan, laut dem bis zu 80.000 Afghanen aus der EU in ihre Heimat zurückgebracht werden sollen, bietet in Einzelfällen keine ausreichende Abschiebungsgrundlage.

Keine Infos aus dem Innenministerium

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dem STANDARD am Samstag, Rückführungen fänden "grundsätzlich dann statt, wenn sie rechtlich durchsetzbar und auch organisatorisch möglich sind". Auf die Frage, ob es nun mehr Abschiebungen nach Afghanistan gebe, antwortete er nicht. Auch würden Daten und Uhrzeit von Abschiebungen "im Vorhinein nicht kommuniziert". Asylwerbern aus Afghanistan wurde 2016 nur zu rund 30 Prozent ein Positivbescheid oder subsidiärer Schutzes beschieden.

Im Fall des 19-Jährigen, der am Montag nach Kabul abfliegen soll, ist indes noch nicht das allerletzte Wort gesprochen. Beim Verwaltungsgerichtshof liegt seit 9. März ein Ersuchen vor, schnellstmöglich über eine aufschiebende Wirkung zu entscheiden, auf deren Grundlage die Abschiebung abgeblasen würde. Anwalt Schmaus wurde am Freitag ein Entscheid bis Montag, dem Tag des geplanten Rücktransports, angekündigt.

Berufung in nur einem Satz durch Rechtsberaterin

Grundlage des dem Antrag auf Aufschiebung zugrunde liegenden außerordentlichen Revisionsantrags ist laut Schmaus ein "rechtsstaatliches Versagen" in dem Fall. Die Rechtsberatung des Vereins Menschenrechte Österreich, wohin der junge Bursch nach der Ablehnung seines Asylantrags erster Instanz geschickt worden war, hatte sich in der Berufung höchst knapp gehalten.

"Ich möchte damit vorbringen, dass mein Leben in Gefahr war und die Taliban nicht wollte (sic!), dass ich in die Schule gehe" war alles, was die staatlich finanzierte Rechtsberaterin zu Papier brachte. Das mit dieser Einlassung konfrontierte Bundesverwaltungsgericht lehnte die Berufung ohne mündliche Verhandlung ab. Dadurch, so Schmaus, habe der Bursch keine Möglichkeit gehabt zu schildern, dass er in seine Heimatprovinz Nangarhar nicht zurückkehren könne und er in Kabul keine sozialen Anknüpfungspunkte habe. Schmaus: "Ihm wurde das Recht auf wirksame Beschwerde vorenthalten". (Irene Brickner, 11.3.2017)