Salzburg – "Ich gehe davon aus, dass sie zum unschuldigen Drachensteigen schon zu alt sind", sagt Richterin Ilona Schalwich-Mozes zu dem 22-jährigen Mann. "Da war kein Plan dahinter", versicherte der Angeklagte. Er hat im November mit einem Freund einen Flugdrachen mit NS-Symbolen am Müllnersteg in der Salzburger Innenstadt steigen lassen. In seiner Gefängniszelle hat er zudem Hakenkreuzzeichnungen aufgehängt. Am Donnerstag wurde er für die Aktionen am Salzburger Landesgericht zu einer zweijährigen, unbedingten Haftstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die beiden jungen Männer malten auf den Drachen mit einem roten Edding ein Hakenkreuz, SS-Runen, ein eisernes Kreuz und die "88" – als Symbol für "Heil Hitler". Mit einer Österreich-Fahne um die Hüften ließ der 22-Jährige den Drachen steigen. Passanten riefen sofort die Polizei. Die eingetroffenen Beamten nahmen den jungen Mann fest, die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz angeklagt. Neuerlich. Der Mann ist einschlägig vorbestraft.

Er sei kein "eingefleischter Nazi"

"Es war ihm zu keinem Moment bewusst, was er da macht", verteidigt Andreas Donabauer seinen Mandanten. Die Drachen-Aktion sei eine "absolute Dummheit" gewesen. Er sei "kein eingefleischter Nazi", sondern habe einen Hang zu Rechtsrockmusik und der Symbolik. Fakt sei auch, dass er bei beiden Vorfällen Alkohol getrunken habe.

Der Angeklagte formuliert das dann so: Er sei schon in jungen Jahren mit der NS-Gesinnung in Berührung gekommen. In einer Gruppe rund um den Ring freiheitlicher Jugend hätten sie regelmäßig Exkursionen – etwa zum Kehlsteinhaus – und dergleichen gemacht. Er habe aber nicht an die Tötungsdelikte in der NS-Zeit gedacht, sondern "mehr an eine kulturelle Affinität".

Richterin: "Gedanklich chirurgisch unterwegs"

"Sie sind gedanklich chirurgisch unterwegs", sagt Richterin Schalwich-Mozes. "Inselartig. Wie kann man das ausblenden und vergessen?" Er habe sich von den Menschen distanziert, versicherte der Angeklagte. Er habe auch sehr viele ausländische Freunde.

Als er die Zeichnungen in der Haft angefertigt hat, sei er von selbstgepantschtem Alkohol betrunken gewesen, erklärte der Angeklagte weiter. "Ich habe nicht klar denken können, was passiert." Dafür habe er den Stift aber noch sehr gut führen können, merkt Richterin Schalwich-Mozes an. Es seien akkurate Zeichnungen mit einer guten Linienführung. Als Motiv wählte der 22-Jährige ein Hakenkreuz mit einem Herz umrandet und den Spruch "Odin wache über diese Zelle".

"Es geht fast nicht, nicht zu denken. Wenn mir ein Erwachsener sagt 'Ich hab mir nichts dabei gedacht', dann werde ich sauer", betont die Richterin. "Es ist gefährlich, was Sie tun. Reue sieht anders aus."

Frisör, shoppen, Drachen bemalen

Der 21-jährige Mittäter war als Zeuge vor Gericht geladen. Er wird gesondert angeklagt. "Sie können Ihren Platz schon einmal anwärmen für Ihr eigenes Verfahren", sagte die Richterin. Der 21-Jährige bestätigte den Tathergang. Sie seien zu seinem 21. Geburtstag gemeinsam zum Frisör gegangen, "wie jedes Monat". Dann seien sie im Army-Shop "ein bisschen shoppen" gewesen. Die Österreich-Flagge habe sich der Angeklagte gekauft, "damit wir im Partnerlook sind". Denn das Geburtstagskind hatte einen Österreich-Pulli an.

Danach hätten sie den Drachen gekauft. "Es war eine Spontan-Idee. Wir haben noch nie vorher einen Drachen steigen lassen", sagte der 21-Jährige. "Warum habt ihr ihn angemalt?", fragt die Richterin. "Wir haben es lustig gefunden, den Adler umzugestalten", sagte der Zeuge.

Kein unbeschriebenes Blatt

Mit insgesamt sechs Vorstrafen und drei offenen Probezeiten ist der Angeklagte kein unbeschriebenes Blatt. Einschlägig vorbestraft ist der 22-jährige Angeklagte, weil er zuvor schon auf der Haut eines Freundes künstlerisch tätig geworden ist. Er stach einem anderen ein Nazi-Tattoo mit einer Pinnwandnadel. Fotos vom Tattoo samt Hitler-Gruß postete die Gruppe dann auf Facebook. Im Februar 2016 wurde er zu 19 Monaten Haft verurteilt, davon drei unbedingt. Für den bedingten Strafanteil gewährte ihm das Gericht eine dreijährige Probezeit.

"Sie sind ein Unikum. So rasche Rückfalltäter haben wir nicht oft, trotz aufrechter Bewährungshilfe", kommentierte die Richterin. Der Angeklagte wurde am Nachmittag wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz Paragraf 3g zu einer zweijährigen, unbedingten Haftstrafe verurteilt. Der Spruch ist nicht rechtskräftig. (Stefanie Ruep, 9.3.2017)