Berlin/Wien – Wenn auffällig unauffällige Herren mit Stöpsel im Ohr rasch links und rechts blickend durch die Halle schreiten, kann man sicher sein, dass die Person, die eines Schutzes bedarf, nicht weit ist. Und tatsächlich biegt in dem Moment Mevlüt Çavuşoğlu mit breitem Grinsen im Gesicht und dutzende Hände schüttelnd ums Eck.

Çavuşoğlu ist Außenminister der Türkei, hat zuvor seinen deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel getroffen und stattet nun den türkischen Ausstellern, die zur weltgrößten Tourismusmesse ITB nach Berlin gekommen sind, einen Besuch ab. Mut machen, lautet die Parole. Zusammenstehen, auch wenn der Gegenwind heftig ist. "Wir sollten kooperieren, uns gegenseitig unterstützen", sagt Çavuşoğlu dem STANDARD. "Grüße nach Österreich."

Nicht nur wegen des umstrittenen Referendums über die geplante Verfassungsreform im April steht die Türkei unter Druck. Das Land hat auch wegen des Vorgehens gegen Kritiker des autoritären Kurses von Staatspräsident Tayyip Erdoğan schwer Schaden genommen: Die Touristenzahlen aus Deutschland, aber auch aus Österreich sind dramatisch eingebrochen. Machten 2014 noch rund 250.000 Österreicher Urlaub in der Türkei, werden es heuer voraussichtlich nur mehr 30.000 sein.

Profiteur des Imageschadens

Vom Imageschaden der Türkei hat zuletzt Österreich stark profitiert und dürfte das auch heuer tun. Nicht nur mehr Inländer machten Urlaub in den Bergen Tirols, Salzburgs oder Kärntens; auch mehr Gäste aus Deutschland, das so und so schon wichtigster Quellmarkt für den heimischen Tourismus ist, entschieden sich für Österreich.

Mit 140,9 Millionen Nächtigungen (plus 4,2 Prozent) erzielte die Branche 2016 ein All-Time-High. Diesen Wert zu halten, sei heuer trotz vieler Unsicherheiten das Ziel, sagten die Chefin der Österreich Werbung, Petra Stolba, und die oberste Touristikerin in der Wirtschaftskammer, Petra Nocker-Schwarzenbacher, am Mittwoch am Österreich-Stand.

Vertreter von rund 80 Regionen und Destinationen vom Burgenland bis Vorarlberg buhlen noch bis Sonntag um die Gunst der Leute, die heuer einen oder mehrere Urlaube planen.

Die Reiselust jedenfalls scheint ungebrochen, Terror hin, politische Umstürze her. Das zeigen auch Ergebnisse der aktuellen Deutschen Reiseanalyse, die ebenfalls am Mittwoch präsentiert wurden. Und vor allem: Österreich liegt in der Gunst der Deutschen im Spitzenfeld. Bei Kurzreisen bis zu vier Tagen konnte Österreich seine Spitzenstellung mit einem Marktanteilsgewinn von 0,8 Prozentpunkten auf 4,6 Prozent sogar ausbauen; bei Urlaubsreisen länger als fünf Tage liegt Österreich in der Gunst der Deutschen nach Spanien, Italien und der Türkei auf Platz vier. "Österreich gewinnt aber nicht nur wegen des Terrors, sondern weil es gute Produkte hat und sich gut vermarktet, sagt Martin Lohmann, der die Reiseanalyse wissenschaftlich begleitet.

Nächste Herausforderung für die Tourismusbranche ist die Digitalisierung, und die sei mit hohen Kosten verbunden. (Günther Strobl, 9.3.2017)