Bild nicht mehr verfügbar.

US-Präsident Donald Trump und der größte Unterstützer der Border Adjustment Tax, der Republikaner Paul Ryan.

Foto: APA/AFP/EPA POOL/JIM LO SCALZO

Wien/Washington – Es ist ein wahrer Geldsegen, den die Republikaner der oberen Mittelschicht und den Wohlhabenden in den USA versprechen. Die Erbschaftssteuer soll ersatzlos gestrichen werden. Der Spitzensteuersatz für Topverdiener soll von 39,6 auf 33 Prozent fallen. Für Unternehmen gibt es schließlich ein besonderes Zuckerl: Ihr Steuersatz soll von rund 35 auf 20 Prozent sinken.

All das steht im Reformplan Paul Ryans, der die Republikaner im Repräsentantenhaus anführt. Dabei kann der Konservative für seine Ideen in vielen Punkten auf Unterstützung aus dem Weißen Haus zählen. Eine Steuersenkung war eines der zentralen Versprechen von US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf.

Hitzige Debatten

Doch es ist ein anderer Eckpfeiler des Ryan-Plans, der in den USA derzeit für hitzige Debatten sorgt und in Europa, in Thinktanks und Wirtschaftsministerien die Alarmglocken schrillen lässt. Die Rede ist von der Idee Ryans und seiner Kollegen, die Art und Weise komplett zu verändern, wie US-Konzerne besteuert werden.

Derzeit gilt, dass Unternehmen ihre Profite dort versteuern müssen, wo ihre Betriebsstätten sind. In der Regel ist das der Ort, wo Unternehmen ihre Fernseher, Kühlschränke und Handys produzieren und von wo aus sie ihre Tätigkeiten lenken. Ein Unternehmen, das etwa in Salzburg einen Kran baut und diesen in die USA verkauft, muss seinen Gewinn aus dem Geschäft in Österreich versteuern. Der Ryan-Plan würde diese weltweit geltenden Prinzipien ändern. Konzerne sollen nicht mehr dort zahlen, wo sie Waren produzieren, sondern dort, wo sie ihre Produkte verkaufen.

Der Ryan-Plan soll nach Worten der Ökonomen dafür sorgen, dass nicht Konzerngewinne, sondern vor allem Umsätze als Steuerbasis dienen.

Das Modell – und hier wird es für Europa heikel – behandelt Importe und Exporte völlig anders. Der Kranbauer aus Salzburg müsste künftig in den USA die erwähnte Steuer in Höhe von 20 Prozent berappen. Ein US-Unternehmen aus Chicago, das all seine Waren ins Ausland verkauft, könnte seinen Profit dagegen unversteuert kassieren.

Die EU verliert spürbar

Unternehmen, die in den USA produzieren, wären also klar im Vorteil gegenüber ausländischen Firmen. Zahlreiche Ökonomen und Politiker fürchten deshalb, dass die EU zu den großen Verlierern zählen würde, wenn die Republikaner ihre Pläne umsetzen. Das Wort "Handelskrieg" macht die Runde.

Der Münchner Ökonom Gabriel Felbermayr vom Ifo-Institut hat mit Kollegen versucht zu errechnen, welche Auswirkungen auf einzelne Länder in Europa zu erwarten sind. Länder, die viele Waren und Dienstleistungen in die USA ausführen, müssten spürbare Wohlstandseinbußen hinnehmen. Am stärksten betroffen wären Irland und das Vereinigte Königreich. Die irische Wirtschaftsleistung würde dauerhaft um zwei bis drei Prozentpunkte schrumpfen, jene Großbritanniens und Belgiens um immerhin ein Prozent. Österreich und Deutschland liegen in der Berechnung im Mittelfeld, der erwartete Rückgang der Wirtschaftsleistung soll bei 0,2 bis 0,3 Prozent liegen.

Eine neue Waffe

Felbermayr sagt, dass die Annahmen optimistisch sind, weil in der Simulation angenommen wurde, dass die betroffenen Unternehmen sich anpassen und mit der Zeit neue Absatzmärkte finden.

Die Auswirkungen könnten also noch dramatischer sein, so das Ifo. Das Interessante an den Plänen der Republikaner sei, dass sie mit internationalem Recht vereinbar sein könnten, so Felbermayr. Die klassische Forderung Donald Trumps, Unternehmen aus Mexiko, China oder Deutschland, die Schuhe, Pkws und Maschinen in den USA verkaufen, mit einem Strafzoll zu belegen, verstößt gegen Recht der Welthandelsorganisation WTO.

Doch Ryans Steuer, die in den USA unter dem Namen Border Adjustment Tax diskutiert wird, ist juristisch kein Einfuhrzoll, auch wenn die Auswirkungen ähnlich sein könnten. Die Republikaner argumentieren, ihr System würde gleich funktionieren wie die Umsatzsteuereinhebung in Europa. Auch bei dieser sind Ausfuhren von der Abgabe befreit, Einfuhren werden aber belastet.

Billionen-Dollar-Frage

Interessant ist für die Republikaner die Ryan-Steuer, weil sie zusätzliche Einnahmen für den Staatshaushalt bringen soll. Die Vereinigten Staaten sind der größte Konsument von Waren und Dienstleistungen auf der Erde. Ein Steuermodell, das diesen Konsum erfasst, zahlt sich aus.

Das Washingtoner Tax Policy Center geht davon aus, dass die Maßnahme 1,2 Billionen US-Dollar (1,13 Billionen Euro) in den kommenden zehn Jahren bringen würde. Ohne dieses Geld werden die Republikaner ihre Steuersenkungen für inländische Konzerne und die obere Mittelschicht nur schwer finanzieren können, so das Tax Policy Center.

Interessant ist an der Boarder Adjustment Tax, dass der Plan nicht nur US-Nationalisten, sondern auch Linke anzieht. Aktuell nutzen Unternehmen viele Tricks, um ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Bei IT-Konzernen wie Apple, Google und Co ist es zudem oft schwer möglich zu sagen, wo eine Dienstleistung erbracht wird, wo also Gewinne zu versteuern sind. Ryan und seine Kollegen argumentieren, diese Probleme zu lösen, weil Gewinnverschiebungen im neuen System schwieriger sind: Wo der Umsatz anfällt, wird besteuert.

Das Schicksal der Ryan-Steuer wird sich bald entscheiden. Im Senat wächst der Widerstand unter Republikanern, weil sie fürchten, die Importe in die USA könnten sich im neuen System verteuern. Für die EU wäre es dennoch an der Zeit sich zu überlegen, wie man reagieren sollte, falls die Reform kommt, sagt Felbermayr. "Die Zeit der steuerpolitischen Kooperation scheint vorbei." (András Szigetvari, 8.3.2017)