Mediativ und asketisch: der Pianist Abdullah Ibrahim.

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Wien – Beim späten Ornette Coleman, dem Revolutionär des sehr individuellen harmonisch-melodischen Jazzverständnisses, war es nicht anders – sein exzentrisches Saxofonspiel beförderte die Vermutung: Keiner konnte, allerdings auch keiner durfte so spielen wie Coleman. Sein fragmentierter Stil, der auf konventionelle Dramaturgie verzichtete, zelebrierte unberechenbare Linien, die in nicht immer nachvollziehbare Richtung liefen. Ein unfreiwilliger "Kreativunfall" als Ursache war da nicht wirklich auszuschließen.

Bei Abdullah Ibrahim, dem Klavierdoyen aus Südafrika, ist es nicht unähnlich, wenngleich viel ohrenfreundlicher. Im Porgy & Bess gibt er zunächst solo – mitunter chansonartige – provokant sanfte Melodien zu Protokoll. Mit zwei Kollegen geht er später den Weg der Kammermusik: Einerseits fügt er sich mit Flöte und Cello zum Trio, das eher bescheidene kompositorische Ideen umsetzt. Andererseits jazzt Ibrahim mit einem Bläserquartett (plus Drummer und Kontrabass) in Richtung entspannter Easy-Listening-Jazz mit Klavierwürze. In den Überleitungen zwischen Stücken ist Ibrahim, einst Dollar Brand, bevor er zum Islam übertrat, der solierende Moderator, der Rätsel aufgibt. Besonders aber nach der Pause: Da absolviert er einen längeren Block unbegleitet, reduziert – als suchte er idyllische Friedfertigkeit.

Grenzgang

Darin blitzt aber etwas auf: Hin und wieder zeigt Ibrahim nämlich, dass er auch von Exzentriker Thelonious Monk herkommt. Wenn er etwas schräge Paraphrasen einbringt und kauzige Wendungen das Idyllische durchbrechen, hört man die Methode: Bekannte Wendungen und Jazzklischees werden aufgenommen, um sie durch Variation interessant einzufärben und harmonisch an Grenzen zu führen.

Das Erstaunliche ist auch insgesamt der Grenzgang des Stilisten. Es fehlt ihm mitunter zwar an Innenspannung, um die Musik vor dem Stillstand zu bewahren. Aber statt aufgesetzt Gegenwehr zu leisten, scheint sich Ibrahim dieser Situation auszuliefern und konsequent zu erproben, was das Material an Reduktion und Dehnung so verträgt. Wie konsequent er das umsetzt, war wieder interessant – als eine Art Suche nach Essenz vielleicht.

Natürlich galt auch hier, wie einst bei Ornette Coleman: Keiner kann, aber auch keiner darf so spielen wie Abdullah Ibrahim. (Ljubiša Tošic, 7.3.2017)