Opfer von Gewalt in Kinderheimen wie jenem auf dem Wilhelminenberg in Wien haben ab Juli bei Pensionseintritt Anspruch auf 300 Euro Zuschuss vom Staat.

Foto: Heribert Corn

Wien – Die Berichte von Gewaltopfern in ehemaligen Kinderheimen in ganz Österreich waren erschütternd. Kinder und Jugendliche wurden geschlagen, erniedrigt, sexuell missbraucht, bedroht und misshandelt. Dokumentiert wurden die Schilderungen von Untersuchungsgremien wie der Kommission Wilhelminenberg in Wien oder der Klasnic-Kommission, die vor fünf beziehungsweise sechs Jahren eingerichtet wurden. Sie entschieden auch über Entschädigungszahlungen an Opfer – Einmalzahlungen und/oder die Kostenübernahme psychotherapeutischer Leistungen.

Die Vorfälle liegen zum Großteil viele Jahrzehnte zurück. Nach 1945 wurden tausende Kinder aus ihren Familien genommen oder von ihren Eltern in – oft kirchliche oder städtische – Heime gesteckt, wo sie in vielen Fällen Unrecht erleiden mussten.

Rund 7.000 Betroffene

Am Dienstag wurde für die Gewaltopfer von Kinder- und Jugendheimen im Ministerrat eine finanzielle Unterstützung für die Pension beschlossen. Laut Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) sollen es 300 Euro pro Monat sein: "Das ist eine finanzielle Anerkennung für alle, bei denen die öffentliche Verantwortung versagt hat und die dadurch ihrer Kindheit und Jugend beraubt wurden." Intensive Gespräche über diese Unterstützung soll es seit dem Staatsakt für Heimopfer im November 2016 gegeben haben, den Nationalratspräsidentin Dores Bures (SPÖ) initiiert hatte.

Konkret ist die Leistung für jene österreichweit rund 7.000 Betroffenen vorgesehen, die bereits von den einstigen Heimträgern entschädigt wurden. Insgesamt flossen laut Sozialministerium Zahlungen in der Höhe von mehr als 80 Millionen Euro. "Es können sich aber auch Personen, die aus welchen Gründen auch immer abgelehnt wurden, nochmals bei uns melden", sagte ein Sprecher von Stöger dem STANDARD.

Neun Millionen Euro jährlich

Der Bezug startet ab Erreichen des Pensionsalters oder ab dem Zeitpunkt, ab dem eine Pension bezogen wird. Die Regelung gilt ab 1. Juli 2017. Rückwirkende Zahlungen wird es laut Stöger nicht geben. Für dieses Jahr wird mit Kosten von drei Millionen Euro gerechnet. Ab 2018 sollen es rund neun Millionen Euro pro Jahr sein. Abgewickelt wird die Geldleistung über die Sozialversicherungsträger oder das Sozialministeriumsservice.

Das Geld wird vom Sozialministerium vorgestreckt. Vereinbart wurde aber, dass Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) mit den Ländern und der Kirche Gespräche über eine Kostenaufteilung führen.

Die römisch-katholische Bischofskonferenz zeigte sich am Dienstagabend irritiert: Man habe den Gesetzesentwurf erst jetzt zu Gesicht bekommen und sei nicht einbezogen worden, sagte der Pressereferenz der Bischofskonferenz, Paul Wuthe. Die Kirche habe bereits Beiträge in Höhe von rund 22 Millionen Euro geleistet.

Wien genehmigte 52,53 Millionen Euro

Die Stadt Wien hat 52,53 Millionen Euro für Entschädigungen an Gewaltopfer in Heimen genehmigt. Die Summe ist fast vollständig aufgebraucht. Fast 2400 Personen wurden finanziell entschädigt oder Therapie- und Rechtsberatungskosten übernommen. Einige Fälle sind in Bearbeitung. Ende März 2016 endete die Meldefrist. Personen, die sich danach meldeten, erhalten therapeutische Betreuung. Bisher waren es 67.

Die Klasnic-Kommission für die Opfer von Gewalt in Heimen der römisch-katholischen Kirche sprach bisher 1600 Betroffenen finanzielle und therapeutische Hilfe zu (rund 20 Millionen Euro).

Bei der Opferschutzorganisation Weißer Ring, die auch die Vorfälle in Wiener Heimen der Stadt aufarbeitete, meldeten sich darüber hinaus 163 ehemalige Heimkinder von Institutionen, für die der Bund zuständig war, sowie 88 Opfer von Gewalt in Einrichtungen der evangelischen Kirche.

Man habe sich "seit Jahren intensiv um einen Zuschuss zur Pension für Heimopfer bemüht" und freue sich über die Einigung, teilte Udo Jesionek, Präsident des Weißen Rings, mit. Für Betroffene "bedeutet das eine späte, wichtige Anerkennung ihrer Leiden". (David Krutzler, Gudrun Springer, 7.3.2017)