Er danke all jenen, die in ihm einen Ausweg aus dem internen Kandidatenstreit sähen, sagte Alain Juppé am Montag bei einem Medientermin. "Aber es ist zu spät", fügte der 71-jährige Ex-Premier mit erloschener Stimme an. Frankreich sei ein krankes Land, das einen Neuanfang brauche – und er könne dies in seinem Alter nicht gewährleisten. Zudem lege sein Parteifreund François Fillon einen "Starrsinn" an den Tag, indem er an seiner Kandidatur festhalte. Aus diesem doppelten Grund, so Juppé, stehe er nicht als Ersatz für die Präsidentschaftswahlen im April zur Verfügung.
Fillon, der offizielle Kandidat der französischen Republikaner, dem ein Strafverfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder droht, hatte am Sonntag klargemacht, dass er sich nicht zurückziehen würde: Bei einer Großkundgebung versammelte er mehrere Zehntausend Anhänger in der Nähe des Pariser Eiffelturmes. In seiner Partei herrscht Einigkeit, dass nur Fillon selbst auf seine Bewerbung verzichten und damit den Weg für einen anderen Kandidaten freimachen kann.
Der ehemalige Premierminister der unter dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy (2007 bis 2012) erklärte aber am Fernsehen, er habe von der Primärwahl seiner Partei ein klares Mandat erhalten; deshalb könne ihn "niemand daran hindern, Kandidat zu bleiben". Das Problem liegt darin, dass Fillon in Meinungsumfragen auf den dritten Platz zurückgefallen ist. Die Stichwahl im Mai würden demnach die Rechtsextremistin Marine Le Pen und der junge Mitte-Politiker Emmanuel Macron unter sich ausmachen.
Panik greift um sich
Bei den einst so siegessicheren Republikanern macht sich langsam Panik breit. Juppé meinte zwar wie Fillon am Vorabend, er sei offen für Diskussionen. Am Montagabend trafen sich die Parteigranden dann mit Sarkozy zu einem Krisentreffen.
Sarkozy vermittelte, Fillon setzte sich durch: Laut einem später verbreiteten Kommuniqué erhielt der Kandidat "einstimmige" Unterstützung. Er musste allerdings versprechen, Initiativen für die "ganze" Partei zu ergreifen. Er soll also auf gemäßigte Zentristen eingehen, nicht nur auf den rechten Parteiflügel.
Das ist auch eine Antwort auf Juppé, der kritisiert hatte, der harte Kern der Partei habe sich "radikalisiert". In der Tat sind die Konservativen unter Fillon, aber auch als Folge des Brexit- und Trump-Effektes, deutlich nach rechts gerückt – was Macron die politische Mitte weitgehend überlässt.
Bei Fillons Demo hatten viele Anhänger erklärt, sie würden am ehesten für Le Pen stimmen, sollte Fillon nicht mehr antreten.
Le Pen würde profitieren
Das Kuriose ist, dass die Front-National-Kandidatin auch vom umgekehrten Fall profitieren könnte: Sollte sich Fillon in die Wahlen hineinretten, sähen darin sicher viele einen Beweis allgemeiner politischer Korrumpierung – und würden für Le Pen stimmen. Diese hat zwar selbst eine Affäre um Scheinbeschäftigung am Hals. Das macht aber viel weniger Wellen. Dank ihrer Immunität im Europaparlament wird Le Pen zudem jede Anklage bis zu den Wahlen vermeiden können.
Fillon wird seinen Erfolg im Parteipräsidium nicht lange auskosten können: Am 15. März wird er vor den Untersuchungsrichter treten müssen. Wenn wie erwartet ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet wird, dürfte der parteiinterne Streit erneut aufbrechen.
Wenn nicht schon vorher: Am Montag sank Fillons Stimmenanteil in einer neuen Umfrage erstmals auf unter 20 Prozent; Le Pen und Macron vereinigten jeweils fünf Prozent mehr Stimmen auf sich. Fillons interner Sieg könnte sich deshalb in ein Desaster an den Wahlurnen verwandeln. (Stefan Brändle, 6.3.2017)