Merkel und Innenminister de Maizière hatten andere Pläne.

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Berlin – Deutschland ist großzügig und human. Deutschland lässt die vielen Flüchtlinge, die in Ungarn gestrandet sind und dort unter menschenunwürdigen Bedingungen festsitzen, nicht im Stich, sondern – gemeinsam mit Österreich – weiterreisen, und das auch ohne strenge Kontrollen.

So war nicht nur in Berlin, sondern in ganz Europa die Sichtweise auf jene historischen Tage im September 2015, an denen sich zehntausende Flüchtlinge nach Österreich und Deutschland aufmachten. Die deutsche Regierung hat dem Eindruck nicht widersprochen, Kanzlerin Angela Merkel selbst erklärte immer wieder, sie habe nur so handeln können.

Doch am 13. März erscheint ein Buch des Welt-Journalisten Robin Alexander: Die Getriebenen – Merkels Flüchtlingspolitik. Report aus dem Inneren der Macht, und in diesem beschreibt der Autor, dass die Großzügigkeit der Bundesregierung nicht von Anfang an so geplant war. Vielmehr hätte die Regierung die Grenzen zu Österreich bald wieder schließen wollen. Doch es kam aus Sorge vor einer rechtlichen und politischen Blamage nicht dazu.

Bedenken bei Polizei

Seit 4. September 2015 waren Zehntausende nach Österreich und Deutschland gekommen, zumeist wurden die Flüchtlinge damals noch an Grenzen und Bahnhöfen willkommen geheißen und bekamen Verpflegung sowie medizinische Hilfe. Am 12. September jedoch, so Autor Alexander, hätte die Regierung in Berlin eigentlich die Kehrtwende beschließen wollen. Um 17.30 Uhr habe eine Telefonkonferenz von Merkel, Kanzleramtschef Peter Altmaier, Innenminister Thomas de Maizière (alle CDU), CSU-Chef Seehofer, dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und SPD-Chef Sigmar Gabriel stattgefunden.

Vereinbart worden sei, am Tag darauf um 18.00 Uhr Grenzkontrollen einzuführen und auch Flüchtlinge ohne Papiere zurückzuweisen. In der Nacht beorderte de Maizière Polizisten aus ganz Deutschland an die Grenze. Bei einer Einsatzbesprechung am 13. September hätten Beamte aber rechtliche Bedenken geäußert. Der Innenminister soll die Sitzung verlassen und Merkel angerufen haben. Deren Reaktion laut Alexander: Der Befehl zur Grenzschließung darf nur erteilt werden, wenn er rechtlichen Bestand habe und klar sei, dass es keine unschönen Bilder von der Zurückweisung von Flüchtlingen gebe.

Diese Garantien habe de Maizière nicht geben können, daher wurde die eigentlich zuvor schon in der großen Koalition beschlossene Maßnahme wieder verworfen. Es blieb dabei: Jeder, der erklärte, Asyl beantragen zu wollen, durfte einreisen. (bau, 6.3.2017)