PRO: Klare Ansage, klare Absage
von Michael Völker

Es ist einigermaßen absurd, dass sich nun ausgerechnet Vertreter der türkischen Regierung auf Rechtsstaatlichkeit, auf Menschenrechte und die Meinungsfreiheit berufen. Es ist die türkische Regierung, die die Menschenrechte mit Füßen tritt, die Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzt und die Meinungs- und Pressefreiheit einschränkt. Zehntausende Bürger, die als nicht regierungstreu erachtet werden, sind in den letzten Wochen und Monaten festgenommen worden, kritische Journalisten wie der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel, einer von vielen, werden eingesperrt und als Terroristen oder Agenten diffamiert. Die Rechte der Opposition werden beschnitten, gegen die kurdische Minderheit im Land wird immer noch ein Krieg mit allen Mitteln geführt.

Dass türkische Politiker außerhalb ihres Landes Wahlkampf führen wollen, um für das Verfassungsreferendum von Präsident Tayyip Erdogan, mit dem der Rechtsstaat weiter abgebaut und die Gewaltentrennung eingeschränkt werden soll, zu werben, ist nicht hinzunehmen. Die einzelnen Staaten, aber auch die EU als solche müssen den türkischen Allmachtsgelüsten und der Propagandamaschine etwas entgegensetzen. Mit diesen Auftritten werden Konflikte geschürt und in andere Länder getragen.

Es braucht eine klare Ansage, ein geeintes Auftreten: Propagandistische Auftritte von türkischen Politikern im Ausland sind mit allen – rechtlichen – Mitteln zu verhindern. (Michael Völker, 5.3.2017)

KONTRA: Da müssen wir durch
von Gianluca Wallisch

Dass der erste Reflex "Das muss verboten werden!" lautet, ist nachvollziehbar. Warum soll man jemandem eine Bühne geben, der sich selbst kaum als Demokrat geriert? Einem, der das Land, in dem er auftreten will, nicht nur wiederholt kritisiert, sondern sogar – im Falle Deutschlands – mit rüden Worten angreift?

Nun, vielleicht deswegen, weil wir in Deutschland, in Österreich und jedem anderen Staat der Europäischen Union in einer Demokratie leben, die solche Herausforderungen annehmen sollte, statt ihnen aus dem Weg zu gehen. Wir sollten uns zur selbstgegebenen Verfassung bekennen und Rede- und Meinungsfreiheit gewähren, solange nicht Gesetze gebrochen werden. Und wenn dies geschieht, sollten wir stark genug sein, die Konsequenzen zu ziehen, seien sie auch unangenehm. Da müssen wir durch, und sei es auch mit Bauchweh und Kopfschmerzen.

Zumindest über das rechtliche Instrumentarium verfügen wir bereits. Ein neues, EU-weites Auftrittsverbot für türkische Politiker würde wohl kaum den Druck Ankaras von einzelnen Ländern – etwa Deutschland – nehmen, sondern die Union als Ganzes schwächen. Denn ein gegen die Türkei gerichtetes Verbot würde bloß dem Narrativ von Präsident Tayyip Erdogan helfen. Er würde das als Angriff auf ihn persönlich und seine Nation sehen. Und er würde davon sprechen, dass die EU den Rechtsstaat zwar predigt, diesen aber selbst nicht so genau nimmt, kommt es hart auf hart. Ein Verbot wäre ein Geschenk an ihn. (Gianluca Wallisch, 5.3.2017)