Einen Tag lang hat es vergangene Woche so ausgesehen, als würde die Trump-Präsidentschaft in ein normales Fahrwasser geraten. Bei seiner Rede vor dem Kongress präsentierte sich Donald Trump als entschlossener Staatschef, der mit der republikanischen Mehrheit die USA im Sinne seiner nationalkonservativen Agenda umzuformen versucht.

Doch diese Hoffnung – oder Furcht – ist rasch wieder verflogen. Trumps Twitter-Attacke auf seinen Vorgänger Barack Obama hat deutlich gemacht, dass man den Präsidenten nicht allein durch eine politische Brille betrachten kann. Sosehr vor Ferndiagnosen gewarnt wird oder davor, unbeliebte Politiker als "Verrückte" abzustempeln: Trumps erste 45 Tage im Weißen Haus lassen sich nur als psychopathologisches Phänomen verstehen – und seine weitere Amtszeit wohl auch.

Was ist passiert? Offenbar war Trump wütend darüber, dass das positive Echo auf seine Rede so rasch von den Russland-Kontakten seines Justizministers Jeff Sessions überschattet wurde. Nach einem Zornesausbruch am Freitagabend wacht er Samstagfrüh in seinem Golfresort in Florida auf, erinnert sich an windige Meldungen auf Breitbart.com über angebliche gegen ihn gerichtete Abhöraktivitäten – und beginnt gegen Obama zu toben, den er nach seinem Wahlsieg noch gelobt hatte.

Der Angriff kann Trump nur schaden: Ist nichts dran, verspielt er weitere Glaubwürdigkeit. Wurden er oder Vertraute aber tatsächlich abgehört, dann bedeutet das, dass ein unabhängiger Richter konkrete Hinweise auf eine Verwicklung mit den russischen Hacker-Aktivitäten im Wahlkampf gesehen hat. Die Affäre, die Trump so gerne hinter sich lassen würde, wächst sich nun erst recht weiter aus.

Die Trump-Präsidentschaft wird so zum tragisch-komischen Schauspiel. Er hat die Wahl zwar gewinnen können, aber als Präsident ist er aufgrund seiner Persönlichkeit nicht handlungsfähig. Und der faustische Pakt der Republikaner mit ihm droht die ganze Partei in den Abgrund zu reißen.

Trump steht mit diesem Verhaltensmuster nicht allein da. In Polen hat sich Jarosław Kaczyński gerade ein massives Eigentor geschossen, indem er seinem Landsmann Donald Tusk die Unterstützung für eine weitere Amtszeit als EU-Ratspräsident entzog. Tusk ist bei den anderen EU-Regierungen sehr beliebt. Alles deutet darauf hin, dass er wiedergewählt wird und Polens nationalistische Regierung weiter in die Isolation gerät. Die einzige Erklärung für dieses irrationale Vorgehen ist Kaczyńskis tiefer Hass auf Tusk – vergleichbar mit Trumps Ressentiment gegenüber Obama.

Auch in der Türkei verspielt Tayyip Erdogan die Chance, seine Macht auf legitime Weise auszubauen. Seine Paranoia gegenüber dem einstigen Verbündeten Fethullah Gülen bestimmt inzwischen alle Facetten der türkischen Politik. Erdogan kann das Verfassungsreferendum im April zwar gewinnen, aber dabei zerstört er das Land, das er regieren möchte.

Diese Männer unterscheiden sich von Technokraten der Macht wie Wladimir Putin oder Viktor Orbán, die konsequent und oft brutal ihre Ziele verfolgen, ohne sich dabei von eigenen psychischen Störungen behindern zu lassen. Dass Trump so wenig von der Klarsicht seines Freundes Putin besitzt, ist im Grunde beruhigend – aber nur unter der Voraussetzung, dass ihn der politisch-bürokratische Apparat Amerikas davon abhält, mit mehr als nur mit Tweets um sich zu schießen. (Eric Frey, 5.3.2017)