Graz/Wien – Die österreichische Industrie und speziell die steirischen Automobil-Zulieferer sind im Visier von internationaler Industriespionage, von dem ist Experte Alfred Czech, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Corporate Trust aus Wien, überzeugt. Eine Studie im Auftrag seines Unternehmens belege, dass fast ein Drittel der österreichischen Unternehmen bereits von Spionage betroffen waren.

Wenige sind versichert

Die Studie wurde 2014 durchgeführt. Rund 1.600 Unternehmen wurden angeschrieben und die Rücklaufquote lag bei zwölf Prozent. Ähnliche Ergebnisse hatten bereits andere Studien, etwa der FH Campus Wien, gebracht. Außerdem ging hervor, dass nur etwa ein Prozent der Firmen eine Cyberversicherung abgeschlossen hatte. "Viele Unternehmen fühlen sich hilflos und tun zu wenig", sagte Czech.

Besondere Sorge bereite ihm der neue US-amerikanische Präsident Donald Trump und sein Motto "America First": "Diese Entwicklungen sind mit Aufmerksamkeit zu begleiten, da steigende geheimdienstliche Aktivitäten durchaus denkbar erscheinen."

Der Geschäftsführer mahnte Unternehmen, die Gefahr nicht zu unterschätzen und einen ganzheitlichen Zugang einzunehmen. Nicht allein die IT-Maßnahmen zählten, sondern auch andere Risiken müssten bedacht werden: "Zum Beispiel bei einem Messe-Auftritt: Wenn über den Tag verteilt fünf interessierte Besucher kommen und jeder fragt bei einem speziellen Bereich genau nach, dann könnten sie sich am Abend zusammensetzen und ihre Informationen bündeln. Das wäre ein gezielter Angriff", schilderte er mögliche Szenarien.

"Wir sind hier in Österreich sehr innovativ, aber wenn das Know-how ausspioniert wird und sich ein anderer die Entwicklungskosten erspart und das Produkt dadurch billiger anbieten kann", sei das schlecht für die österreichische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, meinte er.

Die Steiermark ist in seinen Augen ein "strategisches Spionage-Ziel", weil sie zum Beispiel deutschen Autobauern spezielle Komponenten zuliefere. Die Beratungsfirma für Netzwerksicherheit habe die von Edward Snowden veröffentlichten Dokumente des US-Geheimdienstes NSA analysiert. Daraus gehe etwa auch hervor, dass die deutsche Wirtschaft nicht ausreichend gegen Spionage geschützt sei. Teile der deutschen Wirtschaft sowie deren Zulieferer seien explizit Aufklärungsziel der NSA.

KMU sind gefährdet

Ein Vergleich sollte zum Nachdenken bringen: Der Studie zufolge beläuft sich der jährliche Schaden durch Industriespionage in Österreich auf 1,6 Mrd. Euro. Der Schaden durch Brände sei nur ein Bruchteil so hoch, aber dennoch gebe es zig Brandschutzbeauftragte. Es mangle an Sicherheitsbeauftragten, meinte Czech. Besonders gefährdet seien nicht einmal die großen Unternehmen, denn die würden sich schon schützen, sondern die "Hidden Champions" und mittelständische Unternehmen. Kompletter Schutz sei nie möglich, jedoch müssten sich die Firmen darüber klar werden, was ihre "Kronjuwelen" sind, die sie schützen müssen.

Corporate Trust, das seit Dezember Mitglied des ACstyria ist, will in den kommenden Wochen eine Studie innerhalb des Netzwerks durchführen: "So kann ermittelt werden, welche Rolle das Thema Betriebsspionage in der Steiermark bisher gespielt hat. Diese Informationen sind die Grundlage für weiterführende maßgeschneiderte Schutzmaßnahmen", erklärte Wolfgang Vlasaty, Geschäftsführer des Mobilitätsclusters.

Viele Angriffe von innen

Czech zufolge kommen mehr als die Hälfte der Angriffe von intern oder dem betrieblichen Umfeld: "Unternehmen müssen wissen, was Mitarbeiter mit Zugang zu gewissen Daten tun. Passt jemand auf, dass niemand etwa eine Hard Copy machen kann?"

Besonders interessante Angriffsziele seien derzeit in der Biotechnologie und bei Alternativ-Energien und -Antrieben zu finden. Czech zufolge würden zum Beispiel neue Entwicklungen vor allem in Russland und China sehr gefragt sein, die USA dagegen sei eher an strategischen Entwicklungen interessiert. (APA, 5.3.2017)