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Roman Nasirow, der dienstfrei gestellte Leiter der Steuerbehörde.

Foto: VALENTYN OGIRENKO

Kiew/Wien – In der Ukraine sorgen erneut Korruptionsfälle leitender Beamter für Aufregung. Roman Nasirow, der Chef der staatlichen Steuerbehörde, wurde am Donnerstagabend mit einem angeblichen Herzanfall in ein Kiewer Krankenhaus eingeliefert, wie Reuters vermeldet.

Dies sorgte für Spekulationen, denn kurz darauf wurde bekannt, dass er am Freitag wegen einer vermuteten Unterschlagung in Millionenhöhe verhaftet werden sollte. Fernsehbilder zeigten, wie der augenscheinlich bewusstlose Nasirow in einen Ambulanzwagen gehievt wurde – ob es sich tatsächlich um einen Infarkt handelt, wurde vorerst nicht bestätigt.

Wie der Leiter der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft, Nazar Cholodnyzkyj, sagte, soll Nasirow 75 Millionen Dollar veruntreut haben. Konkret soll er dem Milliardär und Politiker der ehemaligen Janukowitsch-Partei "Partei der Regionen", Oleksandr Onyschtschenko, geholfen haben, den Staat im Zuge eines Gasdeals um diese Summe zu betrügen. Onyschtschenko flüchtete 2016 aus der Ukraine und beantragte politisches Asyl in Großbritannien.

Premierminister Wolodimir Groisman teilte indes mit, dass Nasirow für die Zeit der Ermittlungen von seinen Ämtern entbunden wurde.

Auch Staatsanwalt unter Druck

Cholodnyzkyj zweifelt an, dass dem unerwarteten Krankenhausaufenthalt Nasirows gesundheitliche Ursachen zugrunde liegen. Er sieht eine "historische Tradition" in Spitalsaufenthalten ukrainischer Spitzenpolitiker- und Beamter und erinnerte an den Fall eines früheren Verkehrsministers, der sich 2008 ebenfalls im Krankenhaus befand, als er wegen einer Korruptionsaffäre verhaftet werden sollte.

Der Leiter der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft war in den vergangenen Monaten selbst mehrmals wegen zweifelhafter Praktiken in die Medien geraten. Zum letzten Mal vor zwei Wochen wurde ihm vorgeworfen, Kriminalfälle des 2014 gegründeten Nationalen Antikorruptionsbüros zu behindern, möglicherweise auf Anweisung von Präsident Petro Poroschenko. Sowohl Poroschenko als auch Cholodnyzkyj wiesen die Anschuldigungen zurück. Der Staatsanwalt machte mangelhafte Beweise und gesetzliche Schwierigkeiten für das schleppende Vorangehen der Prozesse verantwortlich.

Kompetenzgerangel der Behörden

Die ukrainischen Antikorruptionsbehörden haben mit unklaren Kompetenzen und gesellschaftlich tief verwurzelten Problemen zu ringen. Die Hemmschwelle, Schmiergeld zu geben und anzunehmen, ist in allen Schichten der Gesellschaft niedrig. Effektivere Strukturen in der Korruptionsbekämpfung auf höchster Ebene waren eine der zentralen Forderungen bei der prowestlichen Revolution von 2014 – ihnen wurde mit Schaffung mehrerer neuer Organe entgegnet, die sich jedoch häufig gegenseitig behindern.

So schuf Präsident Poroschenko 2015 den nationalen Rat zur Korruptionsbekämpfung, ein Beratungsorgan, das ihm persönlich unterstellt ist. Im selben Jahr stellte er der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft das neu gegründete Antikorruptionsbüro Nabu zur Seite, das vor allem den politischen Eliten auf die Finger schauen soll. Die beiden Behörden nehmen sich gegenseitig als Konkurrenz wahr, im vergangenen Jahr gab es mehrmals Zusammenstöße zwischen ihnen. Im August nahm die Staatsanwaltschaft sogar eine Hausdurchsuchung bei der Nabu vor. (Florian Supé, 3.3.2017)