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STANDARD: Die geplante Opel-Übernahme wird wohl demnächst fixiert. Was sind die Knackpunkte?

Bratzel: Um eine Einigung zwischen General Motors und Peugeot zu erzielen, wird es natürlich um Geld gehen, um Lizenzzahlungen, darum, wer was bekommt.

STANDARD: Ein Stolperstein sind wohl die Patente für die Opel-Modelle, die GM gehören?

Bratzel: Das ist ein großer Punkt. Bei laufenden Fahrzeugprojekten darf Opel die Patente mitnutzen. Die große Frage ist, wie hoch der Preis dafür ist, dass man sie weiter nutzen kann, und ob es Einschränkungen gibt. Zum Beispiel, dass bestimmte Modelle nicht in andere Märkte geliefert werden dürfen, etwa in die USA oder nach China.

STANDARD: Ein Beispiel ist sicher der Opel Ampera-e?

Bratzel: Das ist ein tolles Elektroauto, das auf dem Chevrolet Bolt basiert. Die Technologie und ein Großteil der Patente liegen sicher bei GM. Wenn zu viel an Lizenzgebühren abgeführt werden muss, wird das Ganze weniger profitabel. Das ist ein Vorzeigeprojekt, aber PSA will kein Geld drauflegen. Es wird auch darum gehen, wie man bei Produktverbesserungen vorgeht. Wie schnell man profitieren kann, wenn es zum Beispiel Verbesserungen bei der Batteriekapazität gibt.

STANDARD: Wie wichtig ist E-Mobilität bei dem geplanten Zusammenschluss? Da ist ja weder PSA noch Opel vorne dabei.

Bratzel: Das ist der Punkt. Das wäre ein wichtiges Leuchtturmthema auch für die Marke Opel. Kein anderer Hersteller schafft eine solche Reichweite. Das Know-how muss man sich sichern. Bei der Technologie wird man ein bisschen vom Opel Ampera lernen können – und damit von der Technologie, die GM jetzt einsetzt. Aber diese Kompetenz muss weiterentwickelt werden.

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Bratzel: "PSA hat immerhin eine hohe Hybridkompetenz. Das hat Opel nicht."
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STANDARD: Nackt ist PSA nicht ...

Bratzel: Nein, bei Hybrid ist auch etwas Elektrokompetenz dabei. Aber die Hauptkompetenz bei reiner E-Mobilität – wie beim Peugeot ion oder beim C-Zero von Citroën – liegt bei Mitsubishi.

STANDARD: Da würde dazupassen, wenn Opel-Chef Karl-Thomas Neumann Opel zum reinen Hersteller von E-Autos umbaut, oder?

Bratzel: Das ist Zukunftsmusik. Der Verbrennungsmotor spielt bei Opel noch eine wichtige Rolle. Außerdem muss man erst die Kompetenz aufbauen. Es macht auch keinen Sinn, nur eine Marke wie Opel als reine Elektromarke auszustatten. Das Thema muss sich durch alle Marken ziehen. Aber es ist richtig, nicht mehr alles zu tun. Diesel wird bei den kleineren Segmenten, die Opel und auch PSA bedienen, eine sehr viel geringere Rolle spielen.

STANDARD: PSA-Chef Carlos Tavares gilt als großer Sanierer. Für deutsche Standorte gibt es offenbar Garantien für Jobs und Investitionen. Längerfristig wird es aber wohl jede Menge Synergieeffekte geben?

Bratzel: Opel ist drastisch gesagt ein Sanierungsfall und muss aufzeigen, wie man es in die schwarzen Zahlen schafft. Mittelfristig spielen Synergien eine wichtige Rolle. PSA und Opel werden gemeinsam weitere Fahrzeugprojekte aufsetzen, sodass man mit den Plattformen Kosten spart. Technologie kann einmal entwickelt und auf viel mehr Fahrzeuge verteilt werden. Eine gewisse Rolle spielt die Auslastung. Trotz der Garantien wird man hinterfragen, ob die Überkapazitäten langfristig notwendig sind. Die Marktanteile wird man wegen des harten Wettbewerbs wahrscheinlich nicht erheblich erhöhen. Und was E-Mobilität betrifft: Je mehr E-Autos verkauft werden, desto geringer ist die Wertschöpfung, desto schneller können diese Autos zusammengebaut werden. Da braucht es weniger Leute.

STANDARD: PSA hat in den vergangenen zehn Jahren 22.000 Jobs abgebaut. Wie viel der 38.000 GM-Arbeitsplätze in Europa trifft es?

Bratzel: Die Garantien gelten für die nächsten zwei Jahre. Danach halte ich einen Abbau von zehn bis 15 Prozent für realistisch – vorwiegend bei Opel.

Bratzel: "Man wird mittelfristig alle Opelwerke zur Disposition stellen."
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STANDARD: Wir haben in Wien das größte Motoren- und Getriebewerk von General Motors weltweit. Inwieweit muss man dort nun um die Zukunft zittern?

Bratzel: Man wird mittelfristig alle Werke zur Disposition stellen. Es braucht keine zwei Entwicklungszentren für Benzinmotoren, keine zwei Zentren für Elektromotoren. Vielleicht gibt es in Wien Alternativen, vielleicht ist Wien der Standort, der für Benzinmotoren bleibt. Klassische Kosten spielen eine wichtige Rolle dabei, regulative Rahmenbedingungen und die Zulieferernetzwerke. Da muss in den nächsten zehn Jahren vieles auf den Prüfstand gestellt werden.

STANDARD: Stichwort Prüfstand. Heuer starten die neuen Abgastests, um schrittweise zu realistischeren Ergebnissen zu kommen. Rechnet sich dann Diesel noch?

Bratzel: Bei den kleineren Modellen in kürzester Zeit wohl nicht mehr. Jetzt schon werden bestimmte Projekte nicht mehr durchgeführt. Die 1,4-Liter-Motoren von Volkswagen werden etwa nicht wieder aufgelegt. Da stellt man die Entwicklung ein. Bei der Entwicklung spielen nur noch größere Motoren eine Rolle. Auch die anderen Hersteller werden jetzt das Dieselthema niedriger spielen. Hintergrund sind die höheren Kosten der Abgasreinigung. Die rechnen sich irgendwann nicht mehr. Auch nicht für die Kunden, zumal ja auch Benzinmotoren immer spritsparender werden.

STANDARD: Das heißt, die neuen Testmethoden werden die Entwicklung derart beschleunigen, dass man Diesel nicht mehr so freundlich sieht?

Bratzel: Ja, das ist eine Folge des Abgasskandals. Der Diesel ist damit in einen Teufelskreis gekommen. Einerseits der Vertrauensverlust der Behörden, weil der Diesel sehr viel dreckiger ist, als vorgegeben wurde. Teilweise wurde betrogen. Entsprechend wird der Diesel von den Behörden sehr viel kritischer gesehen, und die Regulation in dem Bereich wird verstärkt. Wir sehen das schon bei den Real Drive Emissions (RDE). Aber die Diskussion wird weitergehen.

STANDARD: Die diskutierten Fahrverbote werden wohl auch nicht absatzfördernd wirken?

Bratzel: Das schafft eine sehr hohe Verunsicherung bei den Käufern. Es ist derzeit ein Amalgam, das eine hohe Verunsicherung schafft. Diese wiederum wird zu höheren Kosten des Diesels führen und dazu, dass die Marktanteile zurückgehen werden. Allerdings braucht man den Diesel noch aufgrund seiner besseren CO2-Bilanz, also um die CO2-Grenzwerte in Europa von 95 Gramm einzuhalten. Diesel ist mindestens 15 Prozent CO2-sparsamer als Benziner. Das können die Hersteller so schnell gar nicht kompensieren. Deswegen werden sie noch die nächsten Jahre vieles tun, um halbwegs die Marktanteile des Diesels zu halten. Sie werden teilweise sogar auf Margen verzichten. Das Einzige, was noch passieren kann, ist, dass einzelne Städte oder Länder dafür sorgen, dass es politisch nicht mehr geht. (Regina Bruckner, 3.3.2017)