Neben Schubhaft (hier in einem Wiener Polizeianhaltezentrum) soll es bald auch Ausreisehaft geben.

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Wien – Bei NGOs, Grünen und Neos sowie bei der Wiener SPÖ ist die Kritik an dem am Dienstag von SPÖ und ÖVP im Ministerrat beschlossenen Fremdenrechtsänderungsgesetz beträchtlich. Vor allem der im Entwurf enthaltene Grundversorgungsausschluss von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht – also etwa nach rechtskräftig negativem Asylbescheid – und ohne Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung gegen diese Entscheidung sorgt für Aufregung. Dieser werde zu Obdachlosigkeit mehrerer Tausend Menschen führen, heißt es.

"Personen, die ausreisen könnten, es aber nicht tun, soll künftig die Grundversorgung des Bundes entzogen werden können", heißt es aus dem Kabinett Innenminister Wolfgang Sobotkas (ÖVP). So einfach sei das nicht, meint Anny Knapp vom NGO-Zusammenschluss Asylkoordination. In der Praxis werde vielmehr die Frage der aufschiebenden Wirkung über den Grundversorgungsausschluss entscheiden.

Frage der ausfschiebenden Wirkung

Keine aufschiebende Wirkung erhalten etwa Menschen aus sicheren Drittstaaten – vom Balkan oder aus Algerien, Marokko, Tunesien und Personen, die als mitwirkungsunwillig gelten, etwa weil sie Fingerabdrücke verweigert haben.

Proteste gibt es auch gegen den Plan für eine Ausreiseanhaltung, sollte ein Ausländer trotz Aufforderung in mehreren Instanzen keine Rückkehrbereitschaft zeigen; im Gesetzentwurf ist diese Regelung noch nicht enthalten.

"Hier geht es nicht um eine Einzelmaßnahme, sondern um eine ganze Systematik", sagt das Kabinettsmitglied. Als Leitfaden diene hier das im Jänner beschlossene Arbeitsprogramm der Bundesregierung. Es gelte zu vermitteln, "dass nach einer Rückkehrentscheidung eine Pflicht zur eigenständigen Ausreise besteht".

"Politische Verhandlungen" mit den Ländern

Verlasse der Betreffende Österreich trotzdem nicht, solle er in neu zu definierende Länderquartiere mit intensiver Rückkehrberatung transferiert werden, mit dem Verbot, das Bundesland zu verlassen: hier sei man mit den Ländern derzeit in "politischen Verhandlungen". Verweigere er oder sie sich auch dort, sei die Überführung in ein Bundesquartier geplant, mit auf den politischen Bezirk beschränkter Bewegungfreiheit; Hier soll noch eine ausdrückliche Rechtsgrundlage geschaffen werden. Die "mit Freiheitsbeschränkung" (also Haft) einhergehende Ausreiseanhaltung wiederum sei für die auch dort nicht zur Ausreise zu bewegenden Personen geplant.

Wie viele Menschen von der Systematik betroffen sein werden, ist nicht seriös zu sagen. Zur Zahl ausreiseunwilliger Ausländer liefert wie berichtet nur die Grundversorgungsstatistik einen Hinweis: Am Montag wurden bundesweit 3372 rechtkräftig negativ beschiedenen Personen versorgt.

Wenig Freude hat der Anwalt und Asylexperte Georg Bürstmayr mit diesen Plänen. Der Staat setze "allein auf Härte, dabei werden die guten Erfahrungen mit der freiwilligen Rückkehrhilfe aus den Augen verloren".

Neue Härte nur behauptet

Alles werde hier Verschärfungssignalen untergeordnet, sagt Bürstmayr. So sei etwa von einer Verlängerung der Schubhafthöchstdauer auf 18 Monate die Rede: "In Wahrheit ist es eine Entschärfung auf Betreiben des Rats der EU. Derzeit sind in Österreich Gesamtschubhaftdauern von länger als eineinhalb Jahren möglich, wenn dazwischen eine Entlassung stattfand". (Irene Brickner, 2.3.2017)