Wien – Ein Streit im Vorstand der Gottfried-von-Einem-Musik-Privatstiftung hat nun das Parlament erreicht. Unter dem Titel "Änderungen im Privatstiftungsrecht" haben der SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim und Kollegen im Februar eine parlamentarische Anfrage bei Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eingebracht.

Der Minister wird darin gefragt, ob er "das Privatstiftungsrecht für novellierungsbedürftig" halte – "insbesondere, was die lebenslange Bestellung des ersten Stiftungsvorstands anlangt". In ihrer Anfrage wollen die Abgeordneten zudem eruieren, wie man "sicherstellen kann, dass offenkundig gegen den Stifterwillen fungierende Vorstandsmitglieder trotz lebenslanger Bestellungen (...) abberufen oder anderwärtig aus ihrer Funkion befreit" werden können. Zudem regen Jarolim und Co an, "Minderheitenrechte vorzusehen, wenn für die Abberufung einzelner Mitglieder (des Vorstands, Anm.) keine Mehrheit zustande kommt".

Nicht erfüllte Pflichten

All das ist derzeit gesetzlich nicht vorgesehen, all das spielt in vielen Stiftungen eine Rolle, auch im laut Anfrage "dramatischen" Anlassfall. "Im Fall der Ehegattin des verstorbenen renommierten Musikers und Komponisten Gottfried von Einem, Lotte Ingrisch", würden "massive Unzulänglichkeiten des geltenden Stiftungsrechts offenkundig". Der Vorstand erfülle seine Verpflichtung zur "Verbreitung der Werke von Gottfried von Einem" nicht im vorgesehenen Ausmaß, heißt es sinngemäß.

Zudem werde die im Stiftungszweck vorgesehene "Förderung von Studenten, die vor allem seine (Einems, Anm.) Musik studieren und aufführen sollen" vernachlässigt. Stattdessen würden "Musikstipendien an mehr oder weniger begabte Musiker vergeben, die (...) der Pflege der Werke des großen Komponisten kaum oder gar nicht nachkamen". Ingrisch, die Witwe des 1996 verstorbenen Komponisten, der sein Vermögen 1995 in die Stiftung einbrachte, habe sich gezwungen gesehen, die Verbreitung der Musik teils aus eigener Tasche zu finanzieren.

Womit man beim Kern der Sache wäre: Ingrisch ist eines von sechs auf Lebenszeit bestellten Vorstandsmitgliedern und kann sich mit ihren Auffassungen oft nicht durchsetzen: Gemäß Gesetz entscheidet der Vorstand, was in der Stiftung geschieht. Im konkreten Fall tut er das mit einfacher Mehrheit, der Vorsitzende (der frühere Philharmoniker Walter Blovsky) hat das Dirimierungsrecht. Auch Musikverein-Intendant Thomas Angyan und Erhard Busek (Ex-ÖVP-Obmann) sind unter anderen im Gremium.

"Hochkarätiger" Vorstand

Der Vorstandschef pocht denn auch auf die "gesetzlichen Gegebenheiten" des Stiftungsrechts. "Frau Ingrisch möchte bestimmen, was in der Stiftung passiert, das geht aber nicht, weil der Vorstand als Gremium entscheidet. Ich kann verstehen, dass sie sauer ist, aber ich kann nichts dafür, dass Gottfried von Einem seinen Nachlass nicht ihr, sondern einer Stiftung überlassen hat", so Blovsk, auf die Anfrage angesprochen. Die Vorwürfe, man erfülle den Stiftungszweck nicht, weist er zurück. Der Vorstand sei "hochkarätig", Ingrisch "sehr impulsiv". Selbige nennt sich "verzweifelt" und hofft nun auf Aktivitäten des Justizministers.

Die Frage, wie groß denn das Vermögen der Stiftung ist, beantwortet Ingrisch auf ihre Art: "Ach, wissen Sie, ich bin dreimal in Mathematik sitzengeblieben. Was ich sagen kann: Die Stiftung ist wirklich reich." (Renate Graber, 2.3.2017)