Leise Töne, alte Botschaften: Präsident Donald Trump bei seiner ersten Rede vor beiden Häusern des Kongresses in Washington.

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Proteste, polternde Medienauftritte, Niederlagen, Rücktritte und Chaos pur. Die ersten Wochen der Trump-Administration scheinen Kritikern des Präsidenten recht zu geben. Nicht wenige Beobachter spekulieren daher mit einem frühzeitigen Ende der Präsidentschaft, entweder durch Amtsenthebung oder einen freiwilligen Rückzug.

Das ist jedoch Wunschdenken, eher sollte man sich davor fürchten, dass Trump am Ende erfolgreich ist und seine Politik Schule macht. In der Außen- und Wirtschaftspolitik bedeutet "my country first" nicht bloß ein Handeln nach nationalen Interessen – das macht Außenpolitik sowieso immer -, sondern ein sich Schadloshalten der Stärkeren an den jeweils Schwächeren und abhängigen Partnern – im Extremfall etwa Strafzölle auf deutsche Importe oder Schutzgelderpressung von Nato-Partnern.

In einer bemerkenswerten Rede bezeichnete Trumps Chefideologe Stephen Bannon die neue Doktrin als "economic nationalism". Allerdings taugt eine Welt ohne Regeln und Ordnung nur für die Starken, allen voran die Supermacht USA. Hier könnte Trump Stärke demonstrieren. Beim ersten Versuch einer nationalen oder europäischen Behörde, einen US-Konzern in die Schranken zu weisen (etwa bei Steuernachzahlungen für Apple), würden die USA wohl zurückschlagen. Spätestens dann werden auch Trumps europäische Fans, die Rechtspopulisten in ihren zumeist fragilen Kleinstaaten, merken, was es bedeutet, in einer Welt nationalistischer Großmächte zu leben.

Auf eine geschlossene Reaktion der EU sollte man ohnehin besser nicht vertrauen, sondern eher darauf, dass US-Sonderkonditionen für bestimmte Staaten und eine selektive Einmischung Washingtons in Wahlen und Innenpolitik die Mitgliedsstaaten auseinanderdividieren. Trumps Ansage, dass die EU wenig mehr sei als ein Vehikel für deutsche Wirtschaftsinteressen, wird in Südeuropa oder Frankreich nicht ungern gehört werden. Osteuropa wiederum braucht die USA als Schutzmacht, und nicht wenige Politiker in der Region sehen in Trump ohnehin ideologisch einen der ihren.

Den meisten Trump-Wählern ist das amerikanische Ansehen in der Welt relativ egal. Für viele Amerikaner werden zwei Faktoren über Trumps Zukunft entscheiden: Gibt es eine spürbare Verbesserung der Lebenssituation der unteren Mittelschicht außerhalb der großen Metropolen, und kommt es zu einer erkennbaren Änderung der Einwanderungspolitik – in beiden Fällen liegt die Betonung auf "spürbar", also auf dem subjektiven Empfinden, dass sich die Dinge ändern. Dies kann auch mit viel Symbolik, spektakulären Aktionen und geschickter Inszenierung erreicht werden – auch Kärnten war laut Haider bis zum Finanzcrash ein Wirtschaftswunderland, an das viele glaubten.

Jede mediale Kontroverse um Trumps nationalistische Alleingänge bestätigt für einfach gestrickte Gemüter, dass der Mann hält, was er versprochen hat. Da der Populismus einen Gegenspieler braucht, um sich als Opfer in Szene zu setzen, und die Demokraten in ihrer Ohnmacht dies derzeit nicht bringen, müssen die Medien als Feinde herhalten. Im Dauerstreit mit diesen kann Trump bei vielen Amerikanern gegen eine Zunft punkten, die noch unbeliebter ist als Politiker. Die atemlose Dauerberichterstattung über Trumps permanente Tabubrüche, die wiederum eine Vielzahl an Protesten in alle möglichen Richtungen nach sich ziehen, spaltet die Gegner und führt zu einer Solidarisierung mit ihm: Denn viele sind froh, einen Mann im Weißen Hause zu erleben, der in alle Richtungen Fußtritte austeilt.

Die Fähigkeit von Populisten wie Trump, bestimmte Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, etwa arme Schwarze in Chicago gegen unterprivilegierte Weiße in Ohio, ist ein Schlüssel zu ihrem Erfolg. Und selbst wenn dem Fußvolk einmal Zweifel kommen, so sorgt eine Phalanx ultrarechter Medien von Breitbart bis Fox News dafür, die Ungeheuerlichkeiten des Präsidenten ins rechte Licht zu rücken. Lediglich die Republikaner hätten derzeit die Macht, Trump zu stoppen; doch warum sollten sie, sehen sie sich doch am Ziel ihrer politischen Wünsche. (Reinhard Heinisch, 1.3.2017)