Bis Jänner 1998 hatte die heimische Börse ihren Sitz und ihr Handelsparkett am Wiener Schottenring.

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Wien – Bei österreichischen Aktien ist seit der Finanzkrise Sand im Getriebe. Während die Wall Street und die Londoner Börse sich nahe Rekordniveaus bewegen, liegt der Wiener Leitindex mit minus 45 Prozent um fast die Hälfte unter seinem Höchststand des Jahres 2007. Doch das schwache Abschneiden von Wiener Aktien beschränkt sich nicht auf das vergangene Jahrzehnt, wie eine Studie der Credit Suisse für den Zeitraum 1900 bis 2016 belegt. Der heimische Markt zeigt inflationsbereinigt nicht nur bei Aktien das langfristig schwächste Ergebnis unter 23 Nationen, sondern auch bei Anleihen.

Bloß 0,8 Prozent an jährlicher realer Rendite haben österreichische Aktien laut Berechnungen der Credit Suisse im Mittel abgeworfen, verglichen mit einem weltweiten Durchschnitt von 5,1 Prozent. Die langfristige Bilanz hat zunächst die Hyperinflation der frühen 1920er-Jahre schwer beschädigt, als bei Anleihen mit einem Verlust von 98 Prozent beinahe der ganze Kapitalstock vernichtet wurde. Folglich liegt Österreich auch bei Schuldtiteln mit einem realen Minus von 3,7 Prozent – jährlich, wohlgemerkt – an letzter Stelle. Weltweit erzielten Anleihen im Mittel plus 1,8 Prozent an realem Jahresertrag.

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Zusätzlich belastet wurde der heimische Aktienmarkt von seinem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf bis in die 1980er-Jahre, als Wien von Börsenguru Jim Rogers wachgeküsst wurde. In den beiden Jahrzehnten davor hatte es laut Credit Suisse keinen einzigen Börsengang am Wiener Aktienmarkt gegeben – eine weitere wenig erfreuliche Parallele zur Gegenwart. Seit der Einführung des Flugzeugzulieferers FACC im Sommer 2014 liegt in Wien der Markt für Börsengänge neuerlich brach, sodass nach zuletzt einigen Abgängen nur noch 89 Unternehmen gelistet sind. In den Untersuchungszeitraum der Studie fällt freilich auch der Zerfall der Donaumonarchie, die damals mit 557 notierten Unternehmen auch einen weltweit bedeutenden Börsenplatz beheimatete.

Rohstoffe bevorzugt

Ein Blick über den Alpenrand zeigt, dass bei Aktien vor allem Länder mit hohen Rohstoffvorkommen auf lange Sicht die besten Erträge eingespielt haben. Südafrikanische, australische und US-Unternehmen haben jene 117 Jahre, in denen Pferdegespanne dem Auto und demnächst selbstfahrenden Autos weichen mussten und die Telegrafie von Internet und Smartphone ersetzt wurde, jeweils reale jährliche Profite von deutlich über sechs Prozent abgeworfen. Südafrika und Australien etwa ist es nämlich gelungen, ihren Ressourcenreichtum zum Aufbau von breit diversifizierten Volkswirtschaften zu nutzen.

Wenn man von Rohstoffen absieht, hat keine andere Branche einem Land dauerhafte und nachhaltige Vorteile bescheren können. Um 1900 steuerten in den USA Branchen wie die Eisenbahn 80 Prozent des Börsenwerts bei, die es heute entweder gar nicht mehr oder nur noch in stark abgespeckter Form gibt. Im Gegenzug besteht der britische Aktienmarkt zur Hälfte aus Branchen, die es vor wenigen Jahrzehnten noch gar nicht gegeben hat.

Auffallend ist zudem, dass in allen 23 betrachteten Märkten die langfristige Entwicklung von Aktien deutlich besser ausgefallen ist als jene von Schuldpapieren. Das zeigt, dass das höhere Risiko von Firmenbeteiligungen an den Finanzmärkten auch mit einem gewissen Mehrertrag belohnt wird. Eine Garantie für die Zukunft ist das, wie bei allen historischen Erhebungen, freilich nicht. (Alexander Hahn, 28.2.2017)