Der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker übt scharfe Kritik am neuen Fremdenrechtspaket. Dieses werde zahlreiche Menschen in Obdachlosigkeit und Kriminalität treiben, vor allem in der Bundeshauptstadt. Die Koalition dementiert das.

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Wien – Die Koalition beschließt im Ministerrat am Dienstag ihr Fremdenrechtspaket, das unter anderem eine Ausweitung der Schubhaft, hohe Strafen und Kürzungen beim Zugang zur Grundversorgung bringt.

Die Gesetzesänderung werde zahlreiche Menschen in die Obdachlosigkeit treiben und die Kriminalität erhöhen, warnt der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker. Es geht um jene Bestimmung, wonach Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird, sofort aus der Grundversorgung fallen sollen. "Bedeuten wird das, dass wir in Wien mit einem Schlag rund 1.300 rechtskräftig negative Flüchtlinge aus der Grundversorgung herausschmeißen und österreichweit insgesamt 3.500 Flüchtlinge aus der Grundversorgung herausgeschmissen werden, von einem Tag auf den anderen", sagte Hacker am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal".

"Steigende Kriminalität"

Bisher hatten die Betroffenen vier Monate Zeit, um die Ausreise vorzubereiten. Diese Übergangsfrist soll fallen, wenn es nach SPÖ und ÖVP geht. Das werde in allen Landeshauptstädten zum Problem werden, vor allem aber in Wien, sagt Hacker. "Ich würde gerne wissen, wer dann die Verantwortung übernimmt für die steigende Kriminalität in der Bundeshauptstadt." Die entsprechende Gesetzespassage "muss ersatzlos raus", fordert Hacker.

Die geplanten hohen Strafen für Flüchtlinge, die trotz Ausweisungsbescheids im Land bleiben, seien "ziemlich witzlos", so Hacker. Es sei skurril, "wenn man auf der einen Seite will, dass Flüchtlinge außer Landes gehen, dass man sie wegen extra geschaffener Geldstrafen wieder einsperrt und sie erst recht im Land bleiben können."

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) sagt, er gehe "nicht davon aus, dass jetzt zahlreiche Menschen wegen dieser Maßnahme in die Illegalität abdriften werden". Es gehe darum, die Rechtsstaatlichkeit "um- und durchzusetzen", sagte er nach dem Ministerrat.

Auch Innenminister Wolfgang Sobotka dementiert steigende Kriminalität infolge der Gesetzesänderung, wer dahingehend Fragen stelle, stelle die "falsche Frage". Und zu Hackers Warnung bezüglich steigender Obdachlosigkeit bei abgelehnten Asylwerbern sagte Sobotka: "Dann soll sich der Flüchtlingskoordinator anstrengen, dass sie nach Hause gehen".

Zu den von Hacker genannten Zahlen sagt Sobotka, es könnten insgesamt rund 4.000 Menschen betroffen sein, wobei die Hälfte davon als vulnerabel eingestuft werden könnte, also wegen Krankheit, Schwangerschaft oder Minderjährigkeit nicht aus der Grundversorgung entlassen werden kann.

Rückkehrzentren doch geplant

Die umstrittenen "Rückkehrzentren", in denen abgelehnte Asylwerber festgehalten werden sollen, sind nun offenbar doch nicht abgeblasen: "Die Frage der Rückkehrzentren, verbunden mit Gebietsbeschränkung, wird jetzt noch im Zuge des Gesetzwerdungsprozesses implementiert", sagte Doskozil im "Morgenjournal". Auch am Rande des Ministerrats am Dienstag sagte Doskozil, man arbeite daran, die Zentren noch in den Entwurf zu integrieren. Dies sei noch ein offener Punkt. Derzeit diskutiert man laut Kanzleramtsstaatssekretär Thomas Drozda aber noch mit den Bundesländern, wer dafür bezahlen soll.

Sobotka sprach sogar davon, dass man Asylwerber "interniert": Sollten die hohen Strafen für illegalen Aufenthalt "nicht fruchten", dann gehe es auch darum , dass man die Betroffenen letztlich in Rückkehrzentren "internieren" wolle – wobei sich Sobotka sogleich selbst ausbesserte: "Beziehungsweise nicht internieren, sondern auf die Ausreise vorbereiten wollen".

In ein Rückkehrzentrum sollen Asylwerber dann, wenn ihr Asylbescheid abgelehnt wurde und sie trotz Rückkehrberatung und Verwaltungsstrafen nicht ausreisen wollen, so Sobotka. Aslywerber sollten dort "ausschließlich auf ihre Rückkehr vorbereitet werden". Nicht beantworten konnte Sobotka, wie lange der Aufenthalt in so einem Zentrum dauern soll, das müssten Juristen erst ausarbeiten. Der Innenminister wünscht sich jedenfalls ein Rückkehrzentrum in jedem Bundesland und verweist auch auf Transitzonen auf Flughäfen, wo solche Zentren eingerichtet werden können.

"Mittellos auf der Straße"

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR übt ebenfalls Kritik an dem Paket. "Egal ob Familien mit Kindern oder Kranke – sie alle könnten bei Wegfall der Grundversorgung von einem Tag auf den anderen ohne jedwede Versorgung auf der Straße stehen. Aus Sicht von UNHCR wäre diese Regelung höchst bedenklich", so Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich.

Auch die Caritas warnt davor, dass "abgewiesene AsylwerberInnen von einem Tag auf den anderen mittellos auf der Straße stehen", sagt deren Generalsekretär Bernd Wachter. "Klar ist, nicht jeder, der Asyl beantragt, wird Asyl erhalten können. Klar ist aber auch, dass es Menschen gibt, die nicht gehen können, etwa weil ihr Herkunftsland die Rückkehr nicht erlaubt", so Wachter. "Niemand in Österreich ist damit gedient, wenn Menschen verzweifelt und unversorgt auf der Straße landen."

Längere Schubhaft

Zusätzlich zu den Rückkehrzentren plant die Koalition zudem eine Ausdehnung der Schubhaft. Noch vor dem Sommer soll der Nationalrat eine Erhöhung der Höchstdauer der Schubhaft auf 18 Monate beschließen. Derzeit sind höchstens zehn Monate innerhalb von eineinhalb Jahren möglich. Beschleunigt werden soll die Außerlandesbringung bei straffällig gewordenen Asylberechtigten. Bereits vor einer allfälligen Verurteilung soll ein beschleunigtes Aberkennungsverfahren eingeleitet werden. Nach dem Urteil bleibt dann der Erstinstanz ein Monat und dann dem Bundesverwaltungsgericht zwei Monate Zeit zu entscheiden, ob der Asyltitel aberkannt wird.

Als Beschäftigungsmöglichkeit für Asylwerber werden Rechtsträger, die im Eigentum von Bund, Land oder Gemeinden stehen, nicht auf Gewinn ausgerichtet sind und nicht im allgemeinen Wettbewerb stehen, gemeinnützige Tätigkeiten anbieten dürfen. Gleiches gilt für Gemeindeverbände. Noch offen geblieben war vor dem Wochenende, wer die Höhe der Entschädigungen für Asylwerber, die gemeinnützige Jobs leisten, festlegen soll. Herausgekommen ist nun, dass der Innenminister im Dialog mit den Ländern eine entsprechende Verordnung festlegen wird.

Nicht in das schon im Herbst in Grundzügen festgelegte Paket aufgenommen wurden jene Punkte, auf die sich die Koalition mittlerweile im erneuerten Regierungspaket verständigt hat. Allerdings wurde zuletzt nicht ausgeschlossen, dass im Zuge der parlamentarischen Behandlung der nunmehrigen Vorlage noch die ein oder andere Maßnahme ergänzt werden könnte. (APA, koli, red, 28.2.2017)