Die Viererbande von Elbow. Guy Garvey (Zweiter von links) ist in der Liebe, wie die Briten sagen. Das tut der Kunst gut. Das Album "Little Fictions" hört man weitgehend ohne Lidschwere.

Foto: Polydor/Universal

Wien – Der Bedeutungsunterschied von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit ist oft weniger dramatisch, als er auf den ersten Blick erscheint. Die Hoffnung gilt gemeinhin als Treibstoff jedes halbwegs anständigen Menschen, Defätisten und Nihilisten kann man vernachlässigen, zu ihnen fühlen sich weniger als ein Prozent zugehörig, sagt die Wissenschaft. Zu den Hoffnungslosen gehört Guy Garvey.

Der ist Sänger der Band Elbow und zählt zu den nägelbeißenden Zweiflern und Verzweiflern. Doch jetzt hat ihm das Schicksal einen Perspektivwechsel verordnet. Garvey befindet sich zwar im Zustand der Hoffnungslosigkeit, doch er ist bloß hoffnungslos verliebt. Das zeichnete sich bereits auf seinem Soloalbum von vor etwas über einem Jahr ab, wobei das kaum jemand wahrgenommen hat, das Album.

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Mit der Stammmannschaft von Elbow kehrt er nun wieder, die Briten haben mit Little Fictions ihr siebentes Studioalbum seit 2001 veröffentlicht. Elbow gelten als kunstvolle Tonsetzer, Garvey als sensibler Geist, der weiß, wie man ein Buch öffnet, aber auch an einer geschlossenen Whiskeyflasche nicht scheitert. Diese Spannung zwischen Schön- und Weingeist zeitigte in der Vergangenheit einige erhabene Alben. Doch gesellte sich die klangliche Ästhetik vieler Arbeiten in gefährliche Nähe zur Langeweile. Schwere Lieder bedingen manchmal schwere Lider. Elbow streiften das Pathos, das Kunstleid, die Tagebuchprosa. Dabei haben sie sich Schrammen geholt, gröbere Ausrutscher aber umschifft.

Im Vorjahr ging Garvey also vor der Schauspielerin Rachael Stirling auf die Knie und freite sie erfolgreich. Die Hochzeit fand noch im selben Jahr statt, seither schwebt er auf Wolke vier. Sieben wäre ein doofes Klischee, und zumindest lässt sich anhand seiner bisher veröffentlichten Kunst behaupten, dass er damit wesensbedingt seinen Plafond erreicht hat.

Liebe und Existenz

Musikalisch schlägt sich das Hochgefühl des Sängers vornehmlich im Rhythmusbereich nieder. Gut, natürlich singt er nun Sätze, die die amouröse Aufladung seiner Seele in die Nähe existenzieller Notwendigkeit stellen. Sie, die Angebetete, sei der einzige Grund für sein Atmen, teilt er im Lied Trust The Sun mit. Das ist für einen Schwarzseher erstaunlich.

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Derlei Lebensfreude lässt sich nicht mit zerdehnten Etüden vertonen, dazu muss der Schlagzeuger filigrane Schwerstarbeit leisten, der Bass schiebt an, kuschelig wird es auf Little Fictions, aber nicht einschläfernd. Es entsteht eine Aufregung, deren Zappeligkeit der Gemessenheit der Elbow'schen Balladen eine seltene Lebensfreude einhaucht. Ein dominantes Piano wie in Firebrand & Angel rückt das Album gar in die Nähe von Talk Talk, ihres Zeichens Großwesire aus der Schnittmenge Pop und Weltschmerz.

Das letzte Lied des Albums – ein einnehmendes Gstanzl namens Kindling – könnte gar von Nick Cave stammen, nur die dafür von Elbow bemühten Streicher weisen etwas zu sehr in Richtung Schmalztopf. Aber das sind kleinste Mängel, wenn man so will, die die Gesamtheit von Little Fictions nicht wirklich beschädigen. Denn das Idiom Garveys klingt selbst noch im Zustand der Glückseligkeit zart belegt, und das gehört ja zu den Erkennungsmerkmalen von Elbow. (Karl Fluch, 28.2.2017)