Eine Art Überportal des Kanzleramts soll Betrieben Orientierung im virtuellen Amtsverkehr geben.

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Wien – Der Widerstand gegen die von der Regierung angestrebte verpflichtende elektronische Zustellung von Amtspost für Betriebe ab dem Jahr 2020 ist beträchtlich. Nicht nur seitens Wirtschafts- und Notariatskammer, die ihre Mitglieder erwartungsgemäß vor dem Mehraufwand und den möglichen Nachteilen durch E-Zustellung schützen wollen, sondern auch innerhalb der Koalition.

Das Finanzministerium, ressortzuständig für das Bundesrechenzentrum (BRZ) und als Betreiber von FinanzOnline mit digitalen Plattformen samt Kinderkrankheiten ebenso vertraut wie mit Schnittstellenproblemen, urgiert eine realistische Kostenschätzung des Aufwands für die Umstellung auf E-Verkehr, der neben Betrieben auch Bürgerinnen und Bürgern offenstehen soll. Es fehlten Angaben zu den finanziellen Auswirkungen im gesamten Betrachtungszeitraum ebenso wie zur finanziellen Bedeckung und vor allem zu den Verwaltungskosten für Unternehmen.

Digitale Poststelle

Das Bundeskanzleramt (BKA) beziffert den Aufwand für die Errichtung des Anzeigemoduls – das ist das Kernstück, quasi die digitale Poststelle für Amtsdokumente aller involvierten Bundesstellen – in seiner wirkungsorientierten Folgenabschätzung mit einmalig 470.000 Euro. Die laufenden Kosten würden "durch eine kostendeckende Gebühr für die Nutzung des Anzeigemoduls durch die Versender finanziert". Die in Aussicht gestellten Einsparungen für die Versender seien erst nach der Probezeit darstellbar. "Die Teilnahme an der elektronischen Zustellung für Unternehmer ist kostenfrei", so der Gesetzentwurf.

Das freilich ist nur die halbe Wahrheit, denn die Zustellungsleistung kostet sehr wohl. Das halbe Porto der gelben Post für einen analogen Standardbrief ist dafür veranschlagt, aktuell also 34 Cent.

"Elektronische Zustelldienste sollen diese Kosten zu ihrem Auftraggeber durchreichen", heißt es in den Erläuterungen zum Deregulierungsgesetz 2017, mit dem E-Government- und Zustellgesetz geändert werden sollen. Der Auftraggeber wird diese 34 Cent aber nicht allein vereinnahmen, sagen mit der Materie vertraute Personen, er muss teilen: Fünf Cent bekommt das BKA für die Ausgabe des zur Authentifizierung des Dokuments notwendigen amtlichen Briefkopfs aus dem Anzeigemodul, sieben Cent gehen für Versanddienst auf, 20 Cent für den Empfangsdienst.

Diskriminierung des analogen Behördenwegs

Dass E-Zustellung nur die Hälfte des 20-Gramm-Briefs kosten soll, regt die Wirtschaftskammer auf, sie sieht darin eine Diskriminierung des teureren analogen Behördenwegs. Auch gebe die Verwaltung die via E-Government lukrierten Einsparungen nicht in Form von Abgaben- und Gebührensenkungen an Betriebe und Bürger weiter. Im Gegenteil, die Betriebe blieben auf den umstellungsbedingten Kosten sitzen.

Ganz grundsätzliche Bedenken gegen das Ziel des Bundeskanzleramts, zum "Kompetenz-, Service- und Informationszentrum für BürgerInnen, Verwaltung, Politik und Unternehmen" zu werden, hegt die Datenschutzbehörde (DSB). Sie urgiert Regelungen, mit denen die Vertretungsbefugnis des Abholers "für das betroffene Unternehmen" geprüft wird. Die Identifikation einer Person reiche dafür nicht. Wie das Innenministerium sieht die DSB außerdem die Gefahr von Doppelgleisigkeiten. Mit dem Unternehmensserviceportal USP (www.usp.gv.at) betreibe die Regierung bereits eine zentrale Stelle für betriebliche Meldungen an Fiskus (FinanzOnline), Sozialversicherung (Elda online) und Umweltämter (EDM). Für über USP hinausgehende Aufgaben (die DSB prüft und erteilt Vertretungsbefugnisse im Bürgerkartensystem) sei ihre Behörde personell und kostenseitig nicht ausgestattet, warnt DSB-Leiterin Andrea Jelinek.

Bedenken auch im Justizministerium

Ähnlich tönt es aus dem Justizministerium. Es beharrt einerseits auf eine Ausnahme für Rechtsanwälte, Notare, Gerichte, Staatsanwaltschaften und Finanzprokuratur. Wie auch Banken, Versicherungen und Sozialversicherungsträger arbeitet man dort seit 1990 mit dem "Elektronischen Rechtsverkehr" (ERV), der es im Jahr auf 15,4 Millionen Transaktionen zu und vom Register der Justiz bringt.

Die Justiz warnt vor der Abschaffung der physischen Zustellung. Diese schränke Rechtsschutz und "rechtliches Gehör" grundsätzlich ein. Laut Gesetzentwurf sollte eine Zustellung bereits am ersten Werktag nach Versendung der ersten elektronischen Verständigung als bewirkt gelten. Diese Verkürzung – ein RSa-Brief bleibt bei der Post zwei Wochen hinterlegt – berücksichtige Zustellvorgänge, in denen eine zweite Zustellung nötig und vorgeschrieben ist, nicht ausreichend. Probleme sieht man auch, wenn die Beweislast im Fall des Nichteinlangens einer Verständigung, etwa nach einem Virus- oder Hackerangriff, beim Empfänger liege. (Luise Ungerboeck, 27.2.2017)