Betsy Horne als Desdemona, Antonello Palombi als Otello.

Arnold Pöschl

Klagenfurt – Verdis Otello, der Condottiereaufsteiger mit Migrationshintergrund, ist ein miserabler Menschenkenner. Blindlings geht er davon aus, dass sich Jago, seine rechte Hand in tausend Gefechten, widerstandslos den jungen Cassio als Hauptmann vor die Nase setzen lässt. Demselben Cassio traut er im nächsten Augenblick zu, ihm seine Desdemona ausspannen zu wollen. Und diese Desdemona, ja, wer an deren Treuherzigkeit zweifelt, muss die Welt schon durch die skandalerfinderische Brille eines Boulevardreporters sehen.

Der vergangene Woche überraschend mit 45 Jahren verstorbene Regisseur Patrick Schlösser erzählt am Klagenfurter Stadttheater, was sich, wenn man Shakespeare glaubt, Ende des 15. Jahrhunderts in der Hafenstadt des venezianisch besetzten Zypern zugetragen hat, so einfach und sinnfällig, als wäre die Eifersuchtstragödie eine der landläufigen Mord- und Selbstmordgeschichten mit einer problematischen Personalentscheidung im Hintergrund.

Es hat sich damals vielleicht zugetragen und es kommt bis heute sicher immer wieder vor, vermitteln Bühne und Kostüme des klagenfurtbewährten malenden Ausstatters Miron Schmückle. Etwas Renaissance, etwas Gegenwart und ein bisschen Multikulti akzentuieren die blanke Spielfläche, auf der Christian Franzens Lichtdesign den Figuren jene Innenräume schafft, aus denen das Entkommen so schwer ist.

Gerippe im Schlafzimmer

Er ist kein Teufel, dieser Jago, aber als Berufskollegen möchte man ihn auch nicht haben. Postmodern memorieren Schmückles Prospekte florale venezianische Freskenmuster, um dann in anatomische Darmstudien zu kippen – Rache ist Blutwurst! Überhaupt wird es gegen Ende immer wilder. Der Dämon, der im dritten Akt von der grandiosen Szene Besitz ergreift, und die kitschige Madonnenfigur in Desdemonas Schlafzimmer, die zum Gerippe wird, sobald der eindringende Otello daran stößt, sie sind schon fast Geisterbahn, oder eben Boulevard.

Abgesehen von der alternativen Deutung zur aktuellen Staatsoperninszenierung gibt es musikalisch triftige Argumente, sich diese Produktion nicht entgehen zu lassen. Zwar strahlt Antonello Palombis Tenor keineswegs in allen Lagen gleich, und auch den Jago Csaba Szegedis würde man sich stellenweise stimmlich tragender wünschen, aber diese kleineren Mankos macht allein Betsy Hornes herausragende, überaus innige Interpretation der Desdemona wett. Und die Draufgabe: Der Chor, der wieder einmal auf höchstem internationalen Niveau einstudiert ist, und der das Finale des dritten Aktes zu einem großen Musikerlebnis macht. (Michael Cerha, 25.2.2017)