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Arbeitnehmer sollen in einem Rahmen von 30 bis 40 Stunden selbst entscheiden, wie lange sie arbeiten, sagt das Wifo.

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Wifo-Chef Christoph Badelt findet die Debatte über flexiblere Arbeitszeiten "einseitig".

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Wien – Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) setzt sich in der Debatte über flexiblere Arbeitszeiten für eine starke Ausweitung der Rechte von Arbeitern und Angestellten ein. Von der Flexibilisierung müssten auch sie profitieren, sonst werde einer "Prekarisierung Vorschub geleistet", heißt es in einer Studie, die am Freitag vorgestellt wurde.

Seit der fünften Urlaubswoche, die 1985 eingeführt wurde, seien Reformen der Arbeitszeitgesetze auf eine Flexibilisierung hinausgelaufen, sagte Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll nun verbessert werden. Dazu soll jeder Arbeitnehmer das Recht bekommen, seine Arbeitszeit auf eigenen Wunsch auf bis zu 30 Stunden zu reduzieren. Dem Chef soll das lediglich drei Monate im Vorhinein mitgeteilt werden müssen.

Geld für Weiterbildung

Eine Option sei auch, jeder Person, die Schule, Lehre oder Uni abschließe, nach Wunsch ein Weiterbildungsgeld auszubezahlen, "für frei gewählte Aus- und Weiterbildungen". Das solle auch für Nichtbeschäftigte gelten. Arbeitnehmer sollten darüber hinaus einen Rechtsanspruch auf Bildungsteilzeit und -karenz erhalten. Derzeit hängt es vom Arbeitgeber ab, ob man eine bezahlte Pause für eine Weiterbildung einlegen kann.

Die Verbreitung von All-in-Verträgen müsse darüber hinaus eingebremst werden, es sei nicht im Sinne des Erfinders, dass auch Niedrigqualifizierte mit solchen Verträgen arbeiten. Man müsse die Gesetze so ausgestalten, dass dafür nur Besserverdiener infrage kämen.

Mehr als die Hälfte "atypisch"

In der Studie betrachten die beiden Autorinnen, Christine Mayrhuber und Ulrike Huemer, den Status quo der Arbeitnehmer. Nur 40 Prozent der Frauen und 61 Prozent der Männer arbeiten zwischen 36 und 40 Stunden in der Woche. Jeder vierte Mann und jede zehnte Frau arbeiten mehr, die Hälfte der Frauen teilzeit. Knapp mehr als die Hälfte der Österreicher arbeitet mittlerweile atypisch, also entweder im Schichtbetrieb, an Wochenenden, spätabends oder nachts. Wenn mehr als die Hälfte ayptisch arbeiten, stellt sich die Frage, was dann überhaupt noch typisch sei, sagte Badelt.

25 Prozent der Arbeitnehmer würden sich mehr oder weniger Arbeitszeit wünschen. Das ändere sich im Lauf des Lebens, Männer würden in jungen Jahren gerne weniger arbeiten und die Zeit für Weiterbildung nutzen. Bei Frauen steigt mit der Gründung einer Familie der Wunsch nach einer niedrigeren Arbeitszeit. Wenn sie älter werden, wollen sie wieder aufstocken.

Kritik an Debatte

Die Debatte über eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten werde derzeit einseitig geführt, kritisierte Wifo-Chef Christoph Badelt vor Journalisten. Im Prinzip handle es sich um einen "lohnpolitischen Konflikt". Die Wirtschaftskammer will die Normalarbeitszeit auf zehn Stunden und die Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden ausweiten. Das würde heißen, dass für die neunte und zehnte Arbeitsstunde keine Zuschläge mehr bezahlt werden.

Badelt plädiert dafür, einen Schritt zurückzugehen und die Debatte ganzheitlich zu betrachten. Man dürfe nicht nur auf betriebs-, sondern müsse auf volkswirtschaftliche Kosten achten. Schon jetzt könne jeder Betrieb bei Bedarf für 24 Wochen zwölf Stunden am Tag arbeiten lassen, sagte Badelt. Die Arbeitszeiten seien dennoch wichtig für den Standort, auf die Digitalisierung müsse man mit "neuen Formen reagieren", vieles spreche für eine stärkere Dezentralisierung auf die Ebene der Betriebe.

Keine guten Daten für Firmen

Im Moment gebe es aber keine repräsentative Erhebung, was Firmen brauchen und wo sie durch veraltete Gesetze in ihrem Betrieb eingeschränkt werden. Darum habe man sich in der am Freitag vorgestellten Arbeit auf die Arbeitnehmer konzentriert, für deren Arbeitszeiten und Wünsche es gute Daten gebe.

Die Regierung hat die Sozialpartner damit beauftragt, sich bis Ende Juni auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten zu einigen. Sonst werde das Thema über ihre Köpfe hinweg reformiert. Auch Kanzler Christian Kern (SPÖ) sagte bei einer Rede in Wels: "Wir werden nicht umhinkommen, flexibler zu arbeiten." (Worum es in der Debatte genau geht, wurde hier beschrieben.)

Jetzt schon flexibel

Das Arbeitszeitgesetz sei jetzt schon hochflexibel, sagte die Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber, von 34 Paragrafen würden sich 27 nur auf Ausnahmen beziehen. Zusätzlich gebe es Kollektivverträge, die auf individuelle Bedürfnisse von Branchen eingehen. Würden sich die zwölf Stunden aber ohne speziellen Bedarf auf alle ausweiten, würde das ältere und weibliche Arbeitnehmer weiter benachteiligen. Nur mehr die Fitten und ständig Verfügbaren könnten da mithalten.

Die Juni-Frist für die Sozialpartner hält Wifo-Chef Badelt für "Ankündigungspolitik". Wenn die Sozialpartner keine Lösung finden würden, "schaue ich mir an, wie das die Regierung macht".(Andreas Sator, 24.2.2017)