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Die Hühnersuppen-Schnupfen-Fakten sind dünn. Bislang hat sich die Wissenschaft noch nicht dafür interessiert.

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Verena Ahne bloggt für derStandard.at regelmäßig über das Ringen um gesicherte Erkenntnisse in Medizin und Gesundheitswesen.

Foto: Donau-Uni Krems

In meinen Anfängen als Medizinjournalistin habe ich einmal ein Artikelchen über Hühnersuppe verfasst. Soweit ich mich erinnere, ging die Geschichte – sie ist längst im Online-Nirvana verschwunden – in etwa so: Ein Forschungsteam hatte ein Süppchen nach Großmutterart gekocht, mit einem ganzen Huhn, diversen Gemüsen und Würzmitteln. Danach wurden ihre Bestandteile in der Petrischale auf entzündungshemmende Eigenschaften getestet. Das Ergebnis: Es wurden welche gefunden. Der messerscharfe Schluss des Forschungsberichts (und in der Folge auch meiner Geschichte) lautete damals: "Die Omas dieser Welt haben es schon immer gewusst – wer kränkelt, esse Hühnersuppe!"

In jahrelangen Selbstversuchen hat sich dieser Glaube fortan in mir gefestigt. Sobald ich einen Schnupfen anrücken spüre oder es in den Gliedern fiebrig kribbelt, kommt ein Huhn in den Topf. Und aber wirklich und absolut: Diese Suppen tun mir gut!

Subjektiv nicht unbedingt gleich objektiv

Mittlerweile weiß ich natürlich, dass meine persönliche Erfahrung als Beweis für die tatsächliche Wirksamkeit von Hühnersuppe bei Erkältungen nicht ausreicht. Es reicht noch nicht einmal, dass seit biblischen Zeiten Großmütter bei Schnupfen und Fieber auf Hühnersuppe setzen. Denn leider werden gar nicht selten auch völlig unsinnige Weisheiten getreulich von Generation zu Generation weitergegeben, wie die allseits bekannten Warnungen vor der Bauchkrämpfe verursachenden Kombi "Wasser+Kirschen" oder vor verschluckten Apfelkernen.

Nun mögen manche einwenden: Aber die Suppe tut doch eindeutig gut! Tatsächlich hören wir solche Sätze bei medizin-transparent.at ständig. Aber für eine individuell "gefühlte" Heilwirkung kann es viele Erklärungen geben. Zum Beispiel könnte ich ganz persönlich mit Hühnersuppe heimelige Kindheitskrankheitserinnerungen verbinden, ein Gefühl aus Geborgenheit und Zuwendung, das der Duft der Suppe in mir triggert und sich so bis in die Gegenwart positiv auf mein Wohlsein auswirkt. Ich könnte mir die Heilwirkung der Suppe auch einbilden, weil ich fest an das glaube, was ich einst geschrieben habe. Oder weil ich ganz deutlich spüre, wie die Suppe die Keime ausradiert, wenn sie so "herrlich warm durch den Körper rieselt", wie mein Sohn es formuliert.

Placebo oder echte Effekte?

Auch ohne tatsächliche Wirkung des Suppenhuhns kann so ein starker Glaube Heilwirkung entfalten. In der Medizin wird das Placeboeffekt genannt. Und an dieser beeindruckenden Fähigkeit der Selbstbeschwörung ist prinzipiell auch nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil: Ich kann zum Beispiel als Mutter gezielt einen Placeboeffekt aktivieren, indem ich meinem kranken Kind im Brustton der Überzeugung sage, dass es ihm gleich besser geht, wenn es nur diese spezielle, extra von mir gekochte Suppe isst. (Und schon überdauert der Glaube an die heilsame Hühnersuppe eine weitere Generation.)

Wir wissen heute, dass ein guter Teil aller "Behandlungserfolge" auf Placebo beruht. Die Gewissheit, dass eine Behandlung wirkt, kann wahrlich Berge versetzen, beispielsweise Schmerzen lindern und die ohnehin wirkenden Selbstheilungskräfte des Körpers verstärken.

Um als tatsächlich "wirksam" zugelassen zu werden, muss jedes Medikament, jedes medizinische Verfahren heute mit systematischer Forschung nachweisen, dass es besser abschneidet als Placebo. Und diese Nachweise sind es, die die evidenzbasierte, also auf überprüfbaren Fakten beruhende Medizin interessieren. Sie checkt die Studien zu einem Thema nach strengen, genau festgelegten nachvollziehbaren Kriterien. Und nur wenn die hohen Anforderungen erfüllt sind, gibt es für ein Forschungsergebnis das Gütesiegel "evidenzbasiert".

"Nicht erforscht"

Im Fall von Hühnersuppe könnten gute Studien zum Beispiel "Evidenz" dafür finden, dass die Suppe Erkältungskrankheiten eindeutig verkürzt. Oder die Evidenz lautet umgekehrt, dass wir generationenlang einer Falschmeldung aufgesessen sind und mit derselben (Nicht-)Wirkung auch Apfelschalentee trinken könnten.

Und wie lauten sie nun, die Hühnersuppen-Schnupfen-Fakten? In einem Beitrag auf medizin-transparent.at haben wir das untersucht. Darin wird zwar genau die Arbeit erwähnt, über die ich vor vielen Jahren so positiv berichtet habe, doch so eine einsame In-vitro-Studie mit Tests, die nur im Reagenzglas durchgeführt werden, reicht – das weiß ich heute – als Beweis für eine umfassend gültige Behauptung nicht aus. Um sagen zu können, "Hühnersuppe hilft bei Fieber und Schnupfen", braucht es gut gemachte, aussagekräftige Studien "im echten Leben", in vivo – also mit Menschen, die an einer Erkältung leiden.

Wie so eine Studie richtig zu gestalten wäre, ist im "Medizin transparent"-Artikel schön beschrieben. Nur: Gefunden haben wir keine. Es wurde nie systematisch untersucht, ob Hühnersuppe auch im Körper Entzündungsprozesse hemmt und Erkältungen verlässlich verkürzen kann. Unsere Bewertung des seit Menschengedenken übermittelten Hausmittels gegen Schnupfen lautete somit: "nicht erforscht". Nun ja, auch egal. Ich esse weiter meine Hühnersuppe. Weil sie mir hilft. (Verena Ahne, 24.2.2017)