Etwa jeder siebte Österreicher oder Deutsche hat extreme Angst vor Spinnen oder anderen Objekten. Andere wiederum leiden an Klaustrophobie oder Platzangst.

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Würzburg – Angststörungen zählen zu den am weitesten verbreiteten psychischen Erkrankungen. Etwa 15 Prozent der Österreicher und Deutschen haben extreme Angst vor Spinnen oder anderen Objekten, andere bekommen in engen Räumen oder in Menschenansammlungen Atemnot und Herzrasen. Manche Menschen werden auch von Angstzuständen ohne konkreten Anlass geplagt. Für viele Betroffene ist der normale Alltag stark beeinträchtigt – sie haben oft Probleme im Beruf und ziehen sich sozial zurück.

Bei Angsterkrankungen spielen psychische, soziale und erbliche Faktoren eine Rolle. Von einem bislang unbekannten genetischen Weg, auf dem sich solche Erkrankungen entwickeln können, berichtet nun ein Würzburger Forschungsteam im Fachblatt "Molecular Psychiatry". Mindestens vier Varianten des Gens GLRB (Glycin-Rezeptor B) sind demnach Risikofaktoren für Angst- und Panikstörungen. Das zeigte sich bei einer Studie, an der über 5.000 freiwillige Probanden und mehr als 500 Patienten mit einer Panikstörung teilnahmen.

"Furchtnetzwerk" im Gehirn aktiviert

Den Forschern war das Gen schon vorher bekannt, aber nur in Verbindung mit einer anderen Krankheit: "Manche Mutationen des Gens verursachen eine seltene neurologische Erkrankung, die Hyperekplexie", erklärt Jürgen Deckert von der Psychiatrischen Universitätsklinik in Würzburg. Die Symptome: Die Muskeln der Patienten sind ständig überspannt, und in Schrecksituationen kommt es bei ihnen zu einer überschießenden Reaktion. Das kann so weit gehen, dass die Betroffenen unwillkürlich stürzen.

Ähnlich wie Personen mit Angsterkrankungen entwickeln sie ein Verhalten, mit dem sie potenzielle Schrecksituationen meiden. Die Forscher konnten nun andere Varianten des Gens GLRB erstmals mit Angst- und Panikstörungen in Verbindung bringen. Auch sie führen zu überschießenden Schreckreaktionen und in der Folge möglicherweise zu einer übermäßigen Aktivierung des "Furchtnetzwerkes" im Gehirn. Diesen Schluss ziehen die Würzburger Forscher aus hochauflösenden Bildern, die sie von den Gehirnaktivitäten der Studienteilnehmer gemacht haben.

"Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass hier ein bisher nicht bekannter Weg zur Entwicklung einer Angsterkrankung vorliegt", sagt Deckert. Weitere Untersuchungen müssten nun zeigen, ob sich das für die Entwicklung neuer oder individueller Therapien nutzen lässt. Denkbar ist es zum Beispiel, das vom Gen GLRB falsch regulierte "Furchtnetzwerk" mit Medikamenten wieder auf die richtige Bahn zu bringen. (red, 23.2.2017)