Kenneth Arrow schuf das "Abc der Ökonomie".

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Wien – Sein bekanntestes Werk hat Kenneth Arrow, der am Dienstag im Alter von 95 Jahren gestorben ist, vor 65 Jahren veröffentlicht: Im Buch Social Choice and Individual Values beschrieb der US-Ökonom 1951 das in seiner Doktorarbeit entwickelte "Unmöglichkeitstheorem", das beweist, dass kein Wahlsystem mit mehr als zwei Kandidaten ein Ergebnis liefern kann, das die Wählerpräferenzen zufriedenstellend widerspiegelt.

Die Erkenntnis, dass kein Wahlrecht perfekt ist und man von demokratischen Regierungen auch keine Wunder erwarten kann, war eine der Grundlagen für die "Public Choice Theory" (Sozialwahltheorie), die sich unter anderem mit den systematischen Schwächen politischer Entscheidungsprozesse beschäftigt.

Nobelpreis 1972

Diese Theorie wird heute vor allem von Konservativen verwendet. Doch Arrow, der 1972 als bisher jüngster Preisträger den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, war wirtschaftspolitisch zeit seines langen Lebens ein Vertreter linksliberaler Positionen, ebenso wie seine berühmten Verwandten – sein verstorbener Schwager Paul Samuelson, auch Wirtschaftnobelpreisträger, und sein Neffe Lawrence Summers, früherer US-Finanzminister und Präsident der Harvard University.

"Er hat als einer der ersten großen US-Ökonomen die Bedeutung breiterer Themen erkannt," sagt der frühere Wifo-Chef Karl Aiginger, der Arrow 2002 in Stanford kennenlernte und mit ihm seither zusammenarbeitete, dem Standard. "Er sah, dass die USA sich ökologisch umstellen muss und Ungleichheit das größte wirtschaftliche Problem unserer Zeit ist." Auf Einladung Aigingers fungierte Arrow als wissenschaftlicher Berater bei den europäischen Reformprojekten WWWforEurope und Querdenkereuropa. Er war ein Verfechter öffentlicher Investitionen mit Augenmaß. "Wenn die Zinsen auf null sind, dann ist das ein guter Zeitpunkt für die öffentliche Hand, in Bildung oder Infrastruktur zu investieren", sagte er in einem Standard-Interview im Oktober 2013.

"Antibiotikum gegen Trump"

Arrow prägte auch die moderne Gesundheitsökonomie. 1963 legte er in einer Arbeit dar, warum medizinische Dienstleistungen nicht normalen Marktkräften unterliegen – weil Patienten einfach nicht genug über ihren Zustand und die möglichen Heilmethoden wissen, um informierte Entscheidungen zu treffen. Es ist eine Erkenntnis, die etwa von den US-Republikanern bei ihren Plänen für eine Abschaffung von Obamacare sträflich ignoriert wird. Aiginger nennt Arrow deshalb auch "ein gutes Antibiotikum gegen Trump und Populismus".

Den Nobelpreis und die Bewunderung seiner Kollegen errang Arrow aber vor allem für seine mathematischen Leistungen. 1954 schuf er gemeinsam mit dem späteren Nobelpreisträger Gerald Debreu das Arrow-Debreu-Modell, der erste mathematische Beweis eines ökonomischen Gleichgewichts – also wie sich in einem funktionierenden Markt Preise bilden. Das war ein theoretischer, aber ein für zahlreiche Bereiche der Volkswirtschaft – von der Geldpolitik bis zu öffentlichen Investitionen – entscheidender Durchbruch. "Es ist das Abc von Ökonomie und ökonomischer Theorie", sagte Robert Aumann, Mathematiker und Wirtschaftsnobelpreisträger, der "Washington Post".

Stanford, Harvard und Stanford

Arrow kam 1921 als Kind einer jüdisch-rumänischen Einwandererfamilie auf die Welt. Er studierte am City College von New York, damals eine echte Kaderschmiede, und machte einen Master in Mathematik an der Columbia University. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging er nach Stanford, wo er ab 1949 Ökonomie unterrichtete. 1968 wechselte er nach Harvard, kehrte aber 1979 nach Stanford zurück, wo er 1991 emeritierte. Seine Frau starb 2015. Sie hinterlassen zwei Söhne. (Eric Frey, 22.2.2017)