Obwohl sich Bildung global gesehen immer weiter ausbreitet, steht sie nach wie vor nicht allen Menschen auf der Welt in gleichem Ausmaß zur Verfügung. Wie sich Bildung weltweit seit den 1970er-Jahren verteilt hat, diesem Thema hat sich Petra Sauer vom Forschungsinstitut Economics of Inequality der Wirtschaftsuniversität Wien gewidmet.

Wenn immer mehr Menschen höhere Bildungsabschlüsse erzielen, wird von Bildungsexpansion gesprochen. Indem Sauer Daten über Geschlecht, Alter und Bildungsniveau aus verschiedenen Ländern analysiert hat, konnte sie zeigen, wie unterschiedlich diese Expansion stattgefunden hat. Denn nicht immer erreichen politische Maßnahmen zur Förderung von Bildung alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen, so eine Erkenntnis.

Anfangs steigt Ungleichheit

"Die Bildungsungleichheit steigt im Zuge der Bildungsexpansion, solange es spezifische Gruppen in der Gesellschaft gibt, die zuerst von bildungspolitischen Maßnahmen profitieren", sagt Sauer. Seit den 1970ern ist weltweit die Bildungsungleichheit gesunken. Nach wie vor am größten ist sie aber in den afrikanischen und südasiatischen Ländern. Hier verfügt der Großteil der Bevölkerung lediglich über einen Pflichtschulabschluss. In den OECD-Ländern ist Bildung relativ gleich verteilt, die Mehrheit erreicht einen Sekundar- oder Tertiärabschluss. Einen bedeutenden Anteil an dieser Entwicklung hat die Verringerung der Geschlechterunterschiede bei den Bildungsabschlüssen.

Wenn Bildung expandiert, erreichen junge Bevölkerungsgruppen ein höheres Bildungsniveau als ihre Elterngenerationen. Besonders ausgeprägt war diese Entwicklung beispielsweise in Südkorea, wo beinahe die Hälfte der 30-jährigen Bevölkerung eine Hochschule abschließt – was für über 60-Jährige noch keine Option darstellte. In weiten Teilen der Welt waren es aber nicht nur die Jüngeren generell, sondern vor allem die jüngeren Männer, die zuerst ein höheres Bildungsniveau erreichten.

Ausnahmen gibt es

Ausnahme von dieser Entwicklung sind einige lateinamerikanische Länder wie beispielsweise Argentinien und Brasilien. Dort haben Frauen seit den 1980er-Jahren kontinuierlich höhere Bildungsabschlüsse als ihre männlichen Alterskohorten. Ausgehend aus den Ländern im Norden ist dieser Trend in Europa erst seit den 1990er-Jahren bemerkbar, zeigt diese Analyse.

Spielt das Geschlecht heutzutage eine geringere Rolle, ist der sozialer Status nach wie vor von großer Bedeutung. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozioökonomischen Gruppe entscheidet nach wie vor über die Bildungschancen und trägt zu einem hohen Anteil zur Bildungsungleichheit in allen Weltregionen teil.

Aus ihren Erkenntnissen leitet Sauer auch Empfehlungen für die Bildungspolitik ab. Denn Bildungsexpansion kann also, muss aber nicht notwendigerweise mit einer Verbreiterung des Bildungszugangs über sozioökonomische Gruppen hinweg einhergehen. Eine Ausweitung der Schulpflicht verlängere unter Umständen nur die Bildungsdauer jener Gruppen, die ohnehin bereits im System integriert sind, nennt Sauer ein Beispiel. Damit Bildung auch jene positiven Wirkungen auf den sozialen Zusammenhalt, Demokratie und Armutsreduktion entfalten kann, die ihr zugeschrieben werden, müssen bildungspolitische Maßnahmen hinsichtlich ihrer Verteilungsauswirkung konsequent evaluiert werden, ergänzt Sauer. (ost, 22.2.2017)