Ein Abstecher ins Pariser Disneyland geht ordentlich ins Geld. 300 Euro sind für eine vierköpfige Familie rasch ausgegeben. Das Unternehmen schreibt trotzdem Verluste, was nicht zuletzt an den hohen Lizenzzahlungen an die US-Mutter liegt. Jetzt muss Walt Disney das finanzielle Desaster reparieren.

Foto: AFP / Bertrand Guay

Mickeys Magie wirkt noch immer. Klein Leo klettert auf die Robinson-Insel, ballert mit der Laserkanone und rast mit dem Minenwagen durch den Big Thunder Mountain. Dann aber will Leo endlich zu seiner Lieblingsattraktion im Disneyland Paris – der Audienz bei der Maus. Nach 40-minütigem Schlangestehen, das durch köstliche alte Disney-Trickfilme verkürzt wird, begrüßt der Bub per Handflächenschlag den lebensechten Mickey Mouse, als wäre er sein bester Freund.

"Mickey verkörpert eben das Kind in uns", schmunzelt Laura Janice Gedigk, eine 28-jährige Deutsche, die seit Jahresbeginn als offizielle "Botschafterin" des Vergnügungsparks amtiert.

Es ist Februar, Schneeflocken wirbeln durch den 2.200 Hektar großen Disney-Komplex im Osten von Paris. Trotz der stolzen Preise – eine vierköpfige Familie im Park kommt schnell auf 300 Euro, Anreise ausgerechnet – strömen täglich Zehntausende hierher. Das Angebot an Attraktionen und Verpflegung ist reich, das Personal freundlich und die Infrastruktur intakt – derzeit sind sogar die Toiletten geheizt.

Um den doppelten Vergnügungspark – der neuere zum Thema Film – situieren sich sieben Hotels, 55 Restaurants, zwei Kongresszentren und ein Golfplatz. 30.000 Menschen arbeiten und wohnen hier in Marne-la-Vallée, dem Tal des Marne-Flusses. Am Samstag werden der französische Präsident François Hollande und die britische Parkvorsteherin Catherine Powell vor Ort das 25-Jahr-Jubiläum dieser Erfolgsstory zelebrieren und eine neue Superattraktion namens Star Tours einweihen.

Finanzielles Desaster

Erfolgsstory? Seit einem Jahrzehnt zählt der Doppelpark rund 14 bis 15 Millionen Besucher im Jahr. Wegen der Attentate in Paris, die zu einer viertägigen Parkschließung führten, gingen die Besuche im Geschäftsjahr 2015/2016 um zehn Prozent zurück; im letzten Quartal haben sie wieder um sechs Prozent zugelegt. Disneyland Paris ist in Europa klare Nummer eins, kommt es doch auf ein Mehrfaches der Gästezahl anderer Parks.

Finanziell ist "Eurodisney" allerdings ein Desaster. In 25 Jahren schaffte es nur sieben positive Abschlüsse. Im letzten Geschäftsjahr setzte es einen Rekordverlust von 705 Millionen Euro ab – eine direkte Folge der Terroranschläge, aber nicht nur: Eurodisney schleppt bis heute Schulden von rund einer Milliarde Euro mit sich, deren Zinslast auf die Jahresrechnung drückt. Und das seit dem Beginn im Jahre 1992.

Bis heute rächt sich, dass das Mutterhaus Walt Disney sein europäisches, 3,8 Mrd. Euro teures Abenteuer einzig per Kredit finanzierte. Die Überschuldung war unausweichlich. Der Konzern mit Sitz im kalifornischen Burbank ahnte es wohl voraus, zeichnete er doch vorsichtshalber nur eine Minderheit des Kapitals am Pariser Park. Den Rest brachten vor allem französische Kleinanleger auf. Sie folgten dem Ruf des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand, das Disney-Projekt mit seinen 55.000 direkten und indirekten Arbeitsplätzen als "Volksaktionäre" zu unterstützen.

US-Mutter kassiert

Die Aktie kletterte nach der Ausgabe im Jahr 1989 von elf auf bis zu 25 Euro – um in den Folgejahren auf gut einen Euro zu fallen. Der Schuldendienst wog einfach zu schwer; zudem reservierte sich die Walt Disney Company sechs Prozent des Umsatzes als Lizenzabgaben.

Während der reiche US-Onkel Dagobert also seine Geldschränke füllte, blieb den europäischen Neffen nur eine leere Kasse. "Disneyland Paris könnte rentabel sein, aber das ganze Geld wandert seit langem in die USA", beklagt sich die französische Anlegerin Catherine Berjal. Ihr Investmentfonds Ciam hat in Paris gegen den Disney-Konzern Gerichtsklage wegen "schlechter Führung und missbräuchlichen Verhaltens" eingereicht. In den letzten zehn Jahren seien 930 Mio. Euro unrechtmäßig nach Burbank abgesaugt worden, hat sie ausgerechnet.

Kulturelle Diskrepanzen

Diesen Jänner verließ auch die renommierte Managerin Valérie Bernis den Verwaltungsrat von Eurodisney, da Disney "gegen die Interessen" des Pariser Parks und seiner Aktionäre handle, wie sie damals erklärte. Die Walt Disney Company weist die Vorwürfe als "falsch und unbegründet" zurück. Der Konzern hatte den Park 2014 selbst schon massiv rekapitalisieren müssen. "Wir haben durch Arroganz gesündigt", gestand der Eurodisney-Vorsteher Philippe Gas. Damit meinte er auch die ganze amerikanische Philosophie, die dem europäischen Park anfangs Fastfood mit Alkoholverzicht verordnete.

Heute herrschen in Marne-la-Vallée europäische Standards; im Bistro Chez Rémy gibt es zum Beispiel für 54,99 Euro ein korrektes Dreifachmenü mit Fisch und Wein. Nun muss die Disney-Mutter noch weitergehen. Wie sie Anfang Februar ankündigte, ist sie bereit, die ganze Verantwortung für ihren europäischen Park zu übernehmen und das ganze Kapital für zwei Euro die Aktie aufzukaufen.

Vom bisher größten Einzelaktionär, dem saudischen Prinzen Al-Walid bin Talal, hat sie bereits die Anteile erworben. Erklärtes Ziel des amerikanischen Konzerns ist es, Eurodisney zu 100 Prozent zu übernehmen und dann in Paris von der Börse zu nehmen. Außerdem will das Stammhaus in Burbank 1,5 Mrd. Euro in den Park investieren.

Es zeigt damit, dass es an die Zukunft des europaweiten Tourismusmagneten glaubt. Nach 25 Jahren war es auch Zeit. (Stefan Brändle aus Marne-la-Vallée, 22.2.2017)