Trügerische Idylle: Viola Davis und Denzel Washington als Ehepaar in "Fences".

Foto: Paramount Pictures

Wien – "Die Welt verändert sich, und dir fällt das gar nicht auf." Was Rose Maxson ihrem Mann vorhält, stimmt nur zum Teil. Denn dass sich die Welt im Pittsburgh der 1950er-Jahre verändert, merkt er sehr wohl, das Problem ist, dass er es nicht wahrhaben will. Wenn Troy am Zahltag nach Hause kommt und mit seinem Kumpel von der Müllabfuhr im Hinterhof seines Backsteinhäuschens eine Flasche Gin leert, will er einfach nur, dass die Welt endlich in Ordnung ist.

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Dann will er nicht mehr ans Gefängnis erinnert werden, wo die beiden einander kennengelernt haben, und auch nicht daran, dass ihm seinerzeit die große Karriere als Baseballspieler versagt blieb, weil er dafür die falsche Hautfarbe hatte. Troy war ein Star in den Negro Leagues, aber die Aufhebung der Rassentrennung kam für ihn zu spät. Was er an einem solchen Tag hingegen liebt, das ist das Prahlen und Schwadronieren. Einmal hat er sogar den Teufel besiegt, und diese Geschichte erzählt er so gut, dass man sie ihm tatsächlich beinahe abkauft. Troy ist ein Meister der Selbstinszenierung, der sich über die eigene Existenz hinwegschwindelt.

Fences heißt dieser auf dem gleichnamigen Stück von August Wilson basierende Film, der von echten Zäunen und unsichtbaren sozialen Grenzen erzählt. Wilsons Drama, entstanden im Rahmen seines zehnteiligen Pittsburgh-Zyklus, in dem jedes Stück in einem anderen Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts spielt, entstand 1983, wurde vier Jahre später am Broadway mit James Earl Jones in der Hauptrolle aufgeführt und prompt mit dem Pulitzerpreis und dem Tony Award ausgezeichnet. Dass die Adaption fürs Kino dennoch so lange auf sich hat warten lassen, lag nicht zuletzt am 2005 verstorbenen Wilson selbst, der immerhin noch das Drehbuch schreiben konnte: Nur ein schwarzer Filmemacher sollte die Inszenierung übernehmen dürfen.

Unter freiem Himmel

Diesen Wunsch hat ihm nun Denzel Washington erfüllt. Gemeinsam mit Viola Davis spielte er das Stück bereits vor ein paar Jahren ebenfalls erfolgreich am Broadway, nun bilden die beiden auch auf der Leinwand jenes Ehepaar, das sich trotz mancher unterschiedlicher Ansichten im Laufe der Zeit und angesichts der Not zusammengerauft hat. Sie erträgt seine an Arroganz grenzende Exzentrik, er scheinbar die häusliche Beengung und den eigenen verletzten Stolz. Den beiden Söhnen gegenüber tritt Troy als unnachgiebiges Familienoberhaupt auf, das seinen Herrschaftsanspruch ökonomisch begründet: kein Footballtraining für den Jüngeren ohne Job im Kaufladen, kein Geld für den Älteren, einen Jazzmusiker aus erster Ehe, der sich mit seiner Kunst, für die Troy nichts übrig hat, selbst nicht über Wasser halten kann.

Als Regisseur geht Washington kein Risiko ein: In langen Dialogpassagen, die man tunlichst in der Originalfassung hören sollte, macht er aus dem Kammerspiel unter freiem Himmel ein ausgemachtes Stück Schauspielerkino. Fences ist ein rhetorischer Schlagabtausch, nicht nur zwischen einem desillusionierten Mann und einer hoffnungsvollen Frau – mit einer großartigen Leistung von Davis, die Washington mehr als nur Paroli bietet -, sondern auch zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Zwischen dem Teufel, den man nicht mehr losgeworden ist, und dem Glauben, dass wenigstens ein paar Meter Gartenzaun fertig werden könnten.

Black Cinema in Hollywood

Die letzte Regiearbeit Washingtons liegt bereits zehn Jahre zurück, als er The Great Debaters inszenierte, einen Film über einen Debattierclub afroamerikanischer Studenten – übrigens mit Nate Parker, dessen revisionistischer Historienfilm The Birth of a Nation gerade für Aufsehen sorgt. Zugleich ist Washington einer der wenigen schwarzen Hollywoodstars, die auch als Regisseure das Mainstreamkino erreichen. Und man möge keinesfalls angesichts von oscargekrönten Filmen wie 12 Years a Slave oder dem heurigen Anwärter Moonlight glauben, dass Arbeiten von schwarzen Filmemachern wie Steve McQueen und Barry Jenkins selbstverständlich seien. Gerade um so kleine Produktionen wie Fences zu verwirklichen, braucht es jemanden wie Washington, der über genügend Reputation und Mittel verfügt.

Mit vier Nominierungen geht dieser Film bei der Sonntagnacht anstehenden Oscarverleihung ins Rennen, darunter für den besten Film, für Washington als besten Hauptdarsteller, Davis als beste Nebendarstellerin und Wilson posthum für das beste adaptierte Drehbuch. Applaus ist Fences in jedem Fall gewiss, aber, wie meinte Wilson zu Recht: "As soon as white folks say a play's good, the theatre is jammed with blacks and whites." (Michael Pekler, 22.2.2017)