Ob flexiblere Arbeitszeiten Frauen helfen oder schaden, darüber ist man sich in der Regierung nicht einig.

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Wien – Die Regierung ist sich in kaum einer Frage einig. Selbst darin was eine frauenpolitische Maßnahme ist und was nicht, scheiden sich die Geister. Im neuen Arbeitsprogramm der Koalition finden sich mehrere Punkte, von denen Frauen überdurchschnittlich betroffen wären – ob im positiven oder negativen Sinn, darüber lässt sich aber offenbar streiten. Hier ein Überblick, welche Maßnahmen geplant sind und welche Auswirkungen sie hätten:

  • Flexiblere Arbeitszeiten: Die Wirtschaft wünscht sich flexiblere Arbeitszeiten für Arbeitnehmer – im Abtausch gegen die Einführung eines Mindestlohns. Derzeit verhandeln die Sozialpartner. Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) sieht in einer Arbeitszeitflexibilisierung eine "große Chance für mehr Familienfreundlichkeit", da sich Eltern dadurch "Blockzeiten" für die Arbeit oder die Familie reservieren könnten. Ihre Parteikollegin, ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm, ist skeptisch: Ein dann möglicher "Zwölfstundentag" sei im Sinne der Kinderbetreuung zu hinterfragen, sagt sie. "Ich möchte nicht, dass Eltern gezwungen sind, ihre Kinder von sieben bis 19 Uhr in einer Betreuungseinrichtung abzugeben."

"Nicht die reale Lebenswelt"

Ähnlich sieht das die SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek: Man dürfe nicht davon ausgehen, dass sich Elternteile diese Blöcke "so locker einteilen" können. Das sei "nicht die reale Lebenswelt". Karmasin glaubt hingegen, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten den Ausbau der Betreuungseinrichtungen vorantreibe. Sie verweist außerdem darauf, dass Unternehmen selbst auch Möglichkeiten haben, wie sie flexible Arbeitszeiten und ein familienfreundliches Arbeitsumfeld in Einklang bringen können. Als Beispiele nennt Karmasin Home-Office-Lösungen, Eltern-Kind-Büros oder Betriebskindergärten und "Flying Nannies" – flexible Kinderbetreuung etwa während einer Veranstaltung.

  • Mindestlohn: Da mehr Frauen im Niedriglohnsektor tätig sind, würde ein flächendeckender Mindestlohn mehrheitlich Frauen zugutekommen. Denn von 300.000 vollzeitarbeitenden Menschen, die unter 1.500 Euro verdienen, sind zwei Drittel Frauen, heißt es im Sozialbericht. Sonja Ablinger, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, findet dennoch einige Lücken im angedachten System: Sie kritisiert etwa das Festhalten der Anrechnung des Partnereinkommens. Einer Frau kann die Notstandshilfe nämlich gestrichen werden, wenn das Einkommen ihres Partners 1.200 Euro übersteigt.
  • Arbeitsmarkt: Die Aufstockung der Mindestverfügbarkeit von Arbeitslosen – die etwa auch Betreuungspflichten haben – von 16 auf 20 Stunden ist zwar eine Anpassung an die Realität, weil kaum Jobs für eine darunterliegende Stundenanzahl ausgeschrieben sind. Doch so sehr Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice, diese Maßnahme lobt, weist er gleichzeitig darauf hin, dass sie für Frauen auch problematisch ist, weil es regional immer noch viele Kindergärten mit beschränkten Öffnungszeiten gebe. Das sei vor allem für Frauen mit betreuungspflichtigen Kindern ein Problem. Dem stimmt auch Ablinger zu. Sie versteht nicht, warum die Koalitionspartner sich nicht auf einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung geeinigt haben. "Die wirklichen Probleme und Hürden für Frauen wurden außen vor gelassen", sagt die ehemalige rote Nationalratsabgeordnete. Dazu zählt sie auch eine Unterhaltsreform.
  • Kindergarten: Im Herbst soll das zweite verpflichtende Kindergartenjahr im Ministerrat abgesegnet werden. Die Betreuungsquote bei den Vierjährigen liegt jetzt schon österreichweit bei 96 Prozent, wobei viele Kinder in kostenpflichtigen Einrichtungen betreut werden. Beispiel Wien: Hier sind nur 41 Prozent der Kindergartenplätze städtisch, also beitragsfrei, rechnet Heidemarie Lex-Nalis von der Plattform Educare vor. Sie fordert daher einen dringenden Ausbau in diesem Bereich. Geschieht dies, sei das weitere verpflichtende Kindergartenjahr sinnvoll, auch weil damit die restlichen vier Prozent erreicht werden könnten, sagt die Expertin.

Über Kosten wird verhandelt

Noch ist unklar, wer dafür zahlen wird. Über die Kostenverteilung werde gerade verhandelt, heißt es im Familienministerium. Es sei davon auszugehen, dass das zweite in etwa so viel wie das bestehende erste verpflichtende Kindergartenjahr kosten wird – rund 70 Millionen Euro pro Jahr.

  • Frauenquote: Auf eine verpflichtende Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen sowie allen Unternehmen mit mehr als tausend Mitarbeitern hat sich die Regierung bereits geeinigt. Die Maßnahme soll ab dem Jahr 2018 gelten und dann bei Neubestellungen verpflichtend einzuhalten sein. Derzeit erfüllt nur jedes zehnte börsennotierte Unternehmen in Österreich die künftige Vorgabe. Noch schlechter vertreten sind Frauen in der Geschäftsführung, wo derzeit keine Quotenregelung geplant ist. Eine Frauenquote im Parlament fordern SPÖ und ÖVP-Frauen – im Zuge der geplanten Wahlrechtsreform soll darüber zumindest gesprochen werden. (Marie-Theres Egyed, Peter Mayr, Katharina Mittelstaedt, 22.2.2017)