Bundeskanzler Christian Kern war unlängst zu Gast bei der steirischen Knill-Gruppe: ob er den Arbeiter nach dessen Meinung zur Maschinensteuerdebatte fragt?

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Kürzlich sprach AK-Chef Rudolf Kaske in einem ORF-Interview zur Arbeitszeitflexibilisierung von "Forderungen, die vonseiten der Wirtschaft aufgestellt werden". Er meint damit zwar die Arbeitgeber, spricht so aber wohl unbewusst aus, was viele denken, reden und schreiben: Auf der einen Seite stehen quasi "wir alle", die Bevölkerung. Auf der anderen Seite steht "die Wirtschaft" – große Unternehmen und gesichtslose Konzerne.

Egal ob in der Diskussion über flexible Arbeitszeiten, Steuererleichterungen oder -belastungen, über das Agieren internationaler Konzerne oder das Freihandelsabkommen Ceta: Die "Wirtschaft", die "Konzerne", "die Unternehmer" und "die Globalisierung" gelten als Inbegriff des Übels vieler Entwicklungen.

Diese eindimensionale Sichtweise allerdings ist das größere Übel, denn sie verhindert eine qualifizierte und verantwortungsvolle Diskussion, sie baut Feindbilder und gedankliche Grenzen auf, anstatt gemeinsame Bilder und Ideen zu entwickeln. Zeit für einen Perspektivenwechsel.

Eine persönliche Geschichte

Ich bin gemeinsam mit meinem Bruder Eigentümer eines mittelständischen österreichischen Industrieunternehmens, ein Familienbetrieb aus Weiz in der Steiermark, mit einer 300-jährigen Geschichte. Unsere Ururgroßväter waren Klingenschmiede, heute sind wir ein Technologieunternehmen, wir bauen und liefern Komponenten und Systeme für die Energie- und Kommunikationsinfrastruktur auf allen Kontinenten.

Unser Betrieb ist als Konzern organisiert, mit 31 Unternehmen in 16 Ländern, und wir beschäftigen an die 2000 Menschen weltweit, davon über 650 in Österreich. Wir sind ein Paradebeispiel für die Erfolgsgeschichten der österreichischen Industrie. Rund 80 Prozent unserer Produkte exportieren wir in die ganze Welt. Die Basis unseres Erfolgs bilden unsere engagierten und kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ohne sie gäbe es unser Unternehmen nicht.

Ebenso braucht es den langen Atem und die Risikobereitschaft der Eigentümer. Beides gehört untrennbar zusammen. Wir pflegen ein partnerschaftliches Verhältnis auf Betriebsebene, sind ein verantwortungsbewusster, langfristig denkender Player in der Region.

Aus einer anderen Perspektive sind wir aber auch ein internationaler Konzern, wir profitieren von der Globalisierung und möglichst wenig Handelsbeschränkungen, sonst wären wir nicht so erfolgreich. Wir müssen uns im internationalen Wettbewerb behaupten, marktfähige Preise anbieten und zeitlich flexibel auf Kundenanforderungen reagieren können. So sichern wir Arbeit, Einkommen und Wohlstand.

Hidden Champions

Betriebe wie den unseren gibt es hundertfach in Österreich, viele davon sind Weltmarktführer und Hidden Champions. Der Wohlstand in diesem Land basiert zu einem großen Teil auf den Exporterfolgen unserer Betriebe. Jeder vierte Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt an der Industrie. Wir sollten uns also alle hüten, das Kind mit dem Bade auszuschütten, und vielmehr Wirtschaft als das anerkennen, was sie tatsächlich leistet: Sie sichert Arbeit, Wohlstand und Zukunft für uns alle.

Nicht die Politik schafft diese Perspektiven, es sind die Unternehmen und das produktive Zusammenspiel von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Wirtschaft ist das kreative Zusammenwirken von Menschen zur Schaffung von Wohlstand und Sicherheit. Alle müssen sich permanent die Frage stellen, wie dieser Wohlstand auch in Zukunft gesichert werden kann und welche Rahmenbedingungen es dazu braucht. Viele der nötigen Maßnahmen werden derzeit diskutiert:

· Flexiblere Arbeitszeiten sind nötig, um unsere Produkte zeitgerecht und kundenspezifisch im globalen Supermarkt anbieten zu können. Flexibilisierung heißt für uns im Wesentlichen: Arbeiten, wenn Arbeit da ist. Wir wollen nicht Arbeitszeiten verlängern, es geht um eine sinnvolle Verteilung, um Auftragsspitzen abarbeiten zu können, ohne dass dies die Preise unserer Produkte so verteuert, dass wir Aufträge verlieren. Das System, das wir jetzt haben, basiert auf den Erfordernissen der 70er-Jahre.

· Eine Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmen braucht es, weil wir im europäischen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Steuerbelastung auf Arbeit haben. Das verteuert unsere Produkte und führt – so wir nicht gegensteuern – zu weniger Produktion, also weniger Arbeit und weniger Wohlstand in Österreich.

Intelligenter Freihandel

· Intelligenter Freihandel hilft unsere Produkte ohne Handelsbeschränkungen zu exportieren. Nur so können wir Exportweltmeister bleiben. Wir müssen die Grenzen – auch in unseren Köpfen – vernünftig öffnen, nicht schließen. Details lassen sich immer verhandeln, aber die Tür zuzuschlagen heißt Perspektiven verbauen.

· Entbürokratisierung hilft unsere Kraft darauf zu konzentrieren, innovative Lösungen und Produkte zu entwickeln und die Kreativität in unserem Land zu fördern, anstatt sie durch überbordende Vorschriften einzuschränken. Das Arbeitsgesetz beispielsweise ist dermaßen kompliziert geworden, dass es kaum administrierbar ist und Betriebe oft unbeabsichtigt Fehler machen. Die Arbeitsinspektorate strafen dann zu schnell, anstatt den Betrieben beratend zur Seite zu stehen. Es wäre beiden Seiten geholfen, wenn eine Misstrauens- durch eine Vertrauenskultur ersetzt würde.

· Mehr Kraft und Geld in unser Bildungssystem zu investieren ist nötig, um uns auch weiterhin als Qualitätsstandort zu positionieren, anstatt auf Billiglöhne oder niedrige Umweltstandards setzen zu müssen. Wir bilden jährlich tausende Lehrlinge aus, wir brauchen dringend HTL-Absolventen und einen Fokus auf die Mint-Fächer, denn dort entstehen heute die Arbeitsplätze von morgen.

Weiter, weiter!

Darüber sollten wir reden. Über die Rahmenbedingungen, die Unternehmen brauchen, um die österreichischen Arbeitsplätze in Zukunft zu erhalten und an die modernen Entwicklungen anzupassen. Die Bundesregierung hat mit ihrem neuen Arbeitsprogramm erste wichtige Schritte gesetzt. Das ist als sehr positiv anzuerkennen, und es wäre wünschenswert, wenn dieser Weg auch mutig und entschieden weiterentwickelt würde.

Dazu ist es aber auch nötig, ein entsprechendes öffentliches und integriertes Verständnis von "Wirtschaft" zu entwickeln. Es wäre schon viel geholfen, wenn das in den Köpfen der Entscheidungsträger, Pädagogen und Journalisten verankert ist. Auf dieser Basis lässt es sich vernünftig argumentieren und sinnvoll Entscheidungen treffen. Die österreichischen Industrieunternehmen sind bereit, daran aktiv mitzuarbeiten und ihre Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten, deren Familien und dem Standort Österreich wahrzunehmen. Denn die Wirtschaft, das sind wir alle. (Christian Knill, 21.2.2017)