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Trotz des Preisdrucks für landwirtschaftliche Erzeugnisse sehen die meisten Bauern ihre Arbeit positiv, wie Soziologen der Universität Graz herausfanden. Selbstbestimmtheit, Naturnähe und Selbstversorgung mit gesundem Essen wurden als Pluspunkte des Berufs angeführt.

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Graz – Fröhliche Schweinchen auf saftig-grünen Wiesen, der Bauer als stolzer Hüter einer intakten Natur und Produzent gesunder Nahrung: Das bäuerliche Leben, einst Inbild des Hinterwäldlerischen, ist werbetauglich geworden. Doch der Beruf des Bauern verschwindet zunehmend von der gesellschaftlichen Landkarte: 1950 gab es in Österreich mehr als 400.000 bäuerliche Familienbetriebe, heute sind es nur noch rund 160.000.

Sinkende Preise

"An die 2300 österreichische Bauern hören jedes Jahr auf, weil sie von den Erträgen nicht mehr leben können", sagt Franz Höllinger vom Institut für Soziologie der Universität Graz. Die sinkenden Preise für landwirtschaftliche Produkte stehen in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand, der deutlich höher ist als in der Durchschnittsbevölkerung. Beträchtlich niedriger dagegen ist das Einkommen vor allem der kleinen Familienbetriebe. Angesichts der wachsenden Bevölkerung, die mit Nahrungsmitteln versorgt werden muss, eine absurde Situation.

Dennoch schätzen gerade Bauern ihren Beruf ganz besonders. In seiner vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Studie über "Perspektiven für bäuerliche Familienbetriebe in Österreich" hat sich Höllinger in Kooperation mit Studierenden der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien mit den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der österreichischen Landwirte auseinandergesetzt.

Die positiven Seiten

"Abgesehen von den Klagen über die Preise sehen die meisten Landwirte die positiven Seiten ihrer Arbeit sehr deutlich: die große Selbstbestimmtheit, die Naturnähe, das Arbeiten im eigenen Umfeld, die Selbstversorgung mit gesundem Essen", sagt Höllinger.

Negativ bewertet wurden von vielen der 267 befragten Bauern und Bäuerinnen allerdings die Abhängigkeit von Agrarmarkt und Subventionen sowie die mit den Förderungen zunehmende Schreibtischarbeit. "Gut verdienen kann man nur über die Menge der verkauften Produkte", sagt Höllinger. "Dazu muss man aber an den Großhandel liefern, der extrem niedrige Preise zahlt."

Direktvermarktung und lokale Kooperationen

Immer mehr Familienbetriebe verzichten deshalb auf Subventionen oder Verträge mit Großhändlern und setzen auf Direktvermarktung und lokale Kooperationen. Durch den in Österreich vergleichsweise ausgeprägten Tourismus können sich viele auch ein zweites Standbein durch Zimmervermietung oder einen Buschenschankbetrieb aufbauen. "Gelingt ihnen das, sind sie deutlich zufriedener als von Subventionen abhängige Bauern", hat der Soziologe herausgefunden.

Diese Selbstbestimmtheit hat aber einen Preis: Die Arbeitsbelastung ist enorm. Und das beeinflusst auch den Umgang mit der nachkommenden Generation. "Es bleibt kaum Zeit, die Kinder schrittweise in die Arbeitsprozesse einzuführen", sagt die Projektmitarbeiterin Eva-Maria Griesbacher. "Das erschwert nicht zuletzt die Hofübergabe, da oft nicht rechtzeitig ein Nachfolger aufgebaut wird."

Traditionelles Leben

Während der älteste Sohn bis zur Hofübernahme früher als Knecht bei anderen Bauern arbeitete, erlernen die Erben heute meist Berufe jenseits des bäuerlichen Umfelds. Wenn es dann mit der Übergabe ernst wird, besteht oft gar kein Interesse mehr am Hof. "Bauer kann und soll nur werden, wer diese Arbeit wirklich liebt", hat Höllinger von seinen Interviewpartnern oft gehört. Sei diese Leidenschaft vorhanden, passe auch die Lebensqualität.

Das traditionelle Zusammenleben mehrerer Generationen auf einem Bauernhof ist auch heute noch weit verbreitet, auf etwa der Hälfte der Höfe leben drei Generationen unter einem Dach oder in unmittelbarer Nachbarschaft. Zwar birgt diese große Nähe im Alltag ein gewisses Konfliktpotenzial, doch im Hinblick auf die Arbeitsaufteilung sind damit auch Erleichterungen verbunden.

Zudem habe sich die Machtbalance mittlerweile zugunsten der jüngeren Generation verlagert: "Man weiß, dass man es sich mit den Jungen nicht verscherzen darf", sagt Höllinger. Immer häufiger kann man sich auch ein paar Tage Urlaub vom Bauernhof gönnen, wenn ihn Altbauer und -bäurin währenddessen versorgen.

Klassische Aufteilung

Außerdem gibt es einen Trend zu klaren räumlichen Abgrenzungen: Die ältere Generation hat meist einen vollständigen eigenen Wohnbereich inklusive Küche und Bad – nicht wie früher üblich nur eine Schlafkammer. "Generell hat man sich schon sehr an die Lebensformen der Gesamtbevölkerung angenähert", sagt der Soziologe.

Die klassische Aufteilung der bäuerlichen Tätigkeiten in Frauen- und Männerarbeit ist zwar noch weitgehend aufrecht, doch gibt es Bereiche, wo auch auf Österreichs Höfen "halbe-halbe" gilt: So wird vor allem die ungeliebte Schreibtischarbeit – Subventionsansuchen, Buchhaltung, Marketing – und auch die Stallarbeit ziemlich zwischen den Geschlechtern aufgeteilt.

Generell sind die Frauen heute in die Betriebsführung viel stärker eingebunden als früher. "Wenn es sich nicht gerade um die Anschaffung neuer technischer Geräte handelt, werden die meisten Entscheidungen gemeinsam getroffen", hat Eva-Maria Griesbacher in dutzenden Interviews erfahren. 36 Prozent der bäuerlichen Betriebe werden inzwischen überhaupt von Frauen geführt – vor allem wenn die Ehemänner einer außerlandwirtschaftlichen Erwerbsarbeit nachgehen. (Doris Griesser, 25.2.2017)