Stimmt schon: Jeden anderen würde ich fragen, ob er nur einen leichten oder doch eher schon einen schweren Poscher hat, wenn er so was tut. Nur: Zu wissen, dass etwas schlicht und einfach dumm ist, ist das eine. Es deshalb nicht zu tun das andere. Und dass man eher nicht laufen gehen sollte, wenn der Hals kratzt, der Husten nervt, die Nase rinnt und Schädel und Muskeln im "Wäääh!"-Modus sind, ist nicht unbedingt eine sensationell neue Wahrheit.

Daran ändern auch blauer Himmel, angenehme Temperaturen, neues, zu testendes Spielzeug (in dem Fall der Scotts Trailrucksack Pack Trail RC TR 4) und Sauconys Freedom ISO und ein Trainingsplan mit einem wirklich absolut lockeren Lauf über zweistundenvierzig, nix: Vergrippt – also auch semivergrippt – rennt man nicht. Basta.

Foto: Thomas Rottenberg

Blöderweise kenne ich mich aber: Ich renne seit ein paar Tagen semikrank durch die Gegend. Mein Körper kann sich nicht entscheiden, in welche Richtung es gehen soll. Ingwertee und Co machen genau keinen Unterschied. Bevor ich mich und meine Umgebung noch mehr nerve, helfe ich dann eben nach – und verlange ein Gottesurteil.

Auf Deutsch: Ich tue das, wovor ich jeden anderen dringend warnen würde. Ich gehe laufen. Entweder prackt es mich unterwegs oder danach komplett zusammen – oder aber ich bin nach dem Workout gesund. Und ja, ich weiß: Das ist alles andere als vernünftig. Falls es Sie tröstet: Die Begriffe "Schindluder", "unverantwortlich" und "irgendwo angrennt" gehen mir da auch im Selbstgespräch mindestens so flott von der Lippe, wie sie kämen, wenn mir irgendwer anders diese Idee präsentieren würde.

Foto: Thomas Rottenberg

Darum: Lassen wir das mit der Vernunft mal außen vor – und setzen wir den Fokus auf einen wirklich sehr netten Sonntagslauf durch ein Wien, das den Frühling allem Anschein nach mittlerweile herbeizwingen will – und wo bei dem an diesem Tag ausgetragenen zweiten Lauf der "Eisbärcup"-Serie des LCC von vollvermummt bis fast nackt alles zu sehen war.

Nicht, dass ich nicht auch den Frühling herbeisehnen würde. Aber: He, Leute, es ist Mitte Februar. Da kann und wird es wohl auch noch mal schneien. Und dann wird der Jammer groß sein. (Ich wollte es nur gesagt haben.)

Foto: Thomas Rottenberg

Und was ich ganz nebenbei auch gesagt haben will: Ja, man kann viel über Susanne Pumper sagen. Aber im Gegensatz zu so manchem anderen Laufevent-Organisator ist sich die ehemalige und des Dopings überführte Spitzenläuferin nicht zu gut, bei ihren Events dort selbst mit anzupacken, wo andere nur ihre Volunteers hinschicken. Und die stehen anderswo mangels Vorbilds dann lieber hinter der Budel, als die Getränke davor zu reichen und (das ist unvermeidlich) nassgespritzt zu werden.

Foto: Thomas Rottenberg

Nur zur Klarstellung: Ich habe den Becher nicht genommen. Wenn ich bei einem Lauf nicht angemeldet bin und offiziell teilnehme, ist das für mich genauso ein No-Go wie das Durch-den-Zielbogen-Rennen.

Wenn ich in einen Event reinstolpere, der auf einer für andere Läufer nicht gesperrten Strecke stattfindet, halte ich mich am Rand – und bin meist ohnehin sehr rasch wieder weg.

So auch diesmal: Mein Weg führte in die weniger belaufenen Reviere – hinter dem Lusthaus an Maria Grün vorbei und dann aus dem Wald hinaus in die Sonne. An die Donau.

Foto: Thomas Rottenberg

Dass Wien dort ein ganz anderes Gesicht hat, als es die meisten Wiener kennen, ist nichts Neues: Bevor das Kraftwerk errichtet wurde, war hier ein etwas entrischer, manchmal auch spooky wirkender "Spielplatz", den nicht wirklich viele Leute kannten. Seit dem Kraftwerksbau ist hier aber alles zivilisiert und hübsch-proper. Dennoch ist hier fast immer relativ wenig los: Die Gegend zwischen Kraftwerk und Tangente ist einer der letzten weißen Flecken auf der Wiener Landkarte ...

Foto: Thomas Rottenberg

... und die Frage, wo ich denn da wieder gewesen sei, weil es in Wien doch keine Pagode gebe, bekomme ich regelmäßig auch von Menschen aus meinem eigenen Umfeld vorgesetzt. Dabei steht die "Vienna Peace Pagoda" mittlerweile schon ziemlich lange hier. Sie wird vom japanischen Nipponzan-Myohoji-Orden betreut. Man muss kein Buddhist sein, um an Orten wie diesem kurz innezuhalten und ein wenig in sich hineinzuhören: Die Stille und die Ruhe des Platzes können etwas. Für mich zumindest.

Und ganz abgesehen davon liebe ich die Kirschbäume hinter und um die Pagode: Jetzt, im Winter, sind sie einfach nur kahle Bäume auf einer Wiese. Aber kommen Sie mal im Frühling hierher. Wenn die Bäume blühen – und die Sonne die Stupa strahlen lässt.

Foto: Thomas Rottenberg

Nach der Pagode kommt das Kraftwerk. Auch nicht gerade überlaufen, aber mittlerweile ein Ort, von dem aus zum einen die Simmeringer die Insel erschließen und wo man zum anderen Wochenendpapis beim Schiffe-in-der-Schleuse-Schauen mit ihren (hallo, Klischee!) Söhnen beobachten kann: Ich habe ja oft den Eindruck, dass viele Erwachsene da die Kinder als "Entschuldigung" für ihre eigene Neugierde missbrauchen und die Kids lieber Steine ins Wasser schmeißen würden. Aber da kann ich mich natürlich auch täuschen – vielleicht ja auch, weil ich da von mir auf andere schließe.

Foto: Thomas Rottenberg

Hier unten – im unteren Bereich der Donauinsel – gibt es aber nicht nur die Simmeringer und die Eltern. Hier ist auch (offiziell) FKK- und (inoffiziell) Cruisingzone. Hier haben Fischer ihre Ruhe, Skater, Läufer und Radfahrer genügend Platz – und wer mit seinem Hund bis hierher wandert, hat das Tier (meistens) so gut im Griff und sozialisiert, dass man als Läufer keine Sekunde darüber nachdenken muss, ob der Besitzer weiß, dass Hunde nie "nur spielen wollen", wenn sie ein bewegtes Ziel in den Fokus nehmen und die Bürste aufstellen.

Foto: Thomas Rottenberg

Diese Zone der Insel ist auch Ruderland. Natürlich nur in der eisfreien Zeit: Wer die Schönheit, die Ästhetik der Synchronität – aber auch das Tempo – eines Achters sehen will, kann entweder an die Alte Donau fahren – oder aber hier in der "Trainingszone" erleben, wie Ruderer loslegen, wenn sie wissen, dass da keine Schwimmer in der Bahn sind.

Foto: Thomas Rottenberg

Freilich: Solange – immer noch – Eis auf der Rinne ist, wird gar nicht oder kaum gerudert. Aber für den Fall, dass eben doch jemand kommt, liegen die Pontons auch jetzt schon am Wasser. In den anderen Bereichen der Insel habe ich die schwimmenden Badeflöße bei meinen letzten Läufen jedenfalls nicht gesehen.

Foto: Thomas Rottenberg

Und ich glaube, darauf geachtet zu haben: Kein Ahnung wieso, aber Stege und Pontons ziehen Yogis irgendwie magnetisch an. Und ein paar einfache Positionen knapp am Wasser lockern nicht nur den Lauf, sondern auch den Kopf auf: Ich habe es nicht eilig. Und genau das, das Zulassen und Genießen von Langsamkeit, ist einer der ganz zentralen Punkte, die Laufen und Yoga für mich zu einer wunderschönen Kombi machen. (Abgesehen vom körperlichen Aspekt – aber dazu ein anderes Mal mehr).

Foto: Thomas Rottenberg

Noch ein kleiner Nachtrag: Auch wenn der Winter gerade so tut, als wäre er nicht mehr da, schadet es nicht, mit offenen Augen zu laufen. Dass unter der Auffahrtsrampe zum Radweg unter der Tangentenbrücke im Sommer Menschen wohnen, ist kein Geheimnis. Im Winter habe ich dort aber noch niemanden gesehen.

Umso mehr überraschte mich die kleine Hütte gleich neben der Rampe: Sonntagnachmittag war da zwar niemand, aber Batterien und Lebensmittel, die da halbwegs geordnet im Verschlag standen, zeigten, dass das kein verlassenes Nest ist.

Solche "Funde" den Streetworkern des Kältetelefons der Caritas (01-480 45 53 ) zu melden ist kein Vernadern. Es hilft den Helfern helfen – und denen, die so leben (müssen).

Foto: Thomas Rottenberg

Mein Fazit dieses Laufes?

1.) Darüber, wie das "Gottesurteil" auf die Idiotie, halbkrank zu laufen, ausfallen wird, kann ich jetzt noch nix sagen. Fragen Sie mich morgen. Aber dass der im Endeffekt 29 Kilometer lange Lauf das Risiko wert war, weiß ich jetzt schon.

2.) Der Rucksack (Scotts Pack Trail RC TR 4) saß vom ersten Augenblick an perfekt. Das Thema "Laufen mit Rucksack" schwappt derzeit vom Trail ins "normale" Langstreckenlaufen. Mehr dazu demnächst.

3.) Die Schuhe (Sauconys Freedom ISO) hielten, was sie mir tags zuvor beim ersten Testlauf versprochen hatten, absolut. Meinen Testbericht finden Sie hier.

Das im Text erwähnte Material wurde von den Herstellen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Mehr zum Thema Laufen & Training in Wien gibt es auf derrottenberg.com.

Foto: Thomas Rottenberg