Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der "Welt", sitzt in Haft.

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Der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu stellte dieser Tage klar: Keiner der in türkischen Gefängnissen einsitzenden Journalisten sei dort, weil er oder sie einen Artikel geschrieben hätte. Das ist natürlich barer Unsinn.

Keiner der mittlerweile rund 160 Journalisten ist wegen Hühnerdiebstahls oder illegalen Verkaufs von Sesamringen in Haft. Für das Verfassen missliebiger Artikel wird in der Türkei ein Terrorismusverdacht konstruiert. Im Fall von Deniz Yücel, dem deutsch-türkischen Korrespondenten der Tageszeitung "Die Welt", soll er angeblich lauten: Mitgliedschaft in der linksradikalen Hackergruppe Redhack. Das wäre zumindest einmal etwas Neues. Üblicherweise lautet der Haftgrund Propaganda für die PKK oder die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen oder gleich beide.

Die zwei Artikel, für die der 43-jährige Yücel nach Lesart der türkischen Regierung also nicht ins Gefängnis gekommen ist, drehen sich um peinliche bis möglicherweise brisante E-Mails aus dem Postfach eines Schwiegersohns von Staatspräsident Tayyip Erdogan, der zugleich als Energieminister fungiert. Die meisten Türkeikorrespondenten hatten im Herbst vergangenen Jahres über die E-Mails von Berat Albayrak berichtet. Die Gruppe Redhack hatte sie in die Welt geblasen. Yücel traf aber auch einen der kurzzeitig inhaftierten, angeblichen Redhack-Verdächtigen, der angab, im Gefängnis misshandelt worden zu sein.

Vielleicht störte dieses Detail die Regierung; doch wahrscheinlich ärgerte sie sich schon länger über den "Almanci", den Sohn türkischer Gastarbeiter aus der hessischen Kleinstadt Flörsheim. Yücels Berichte aus Istanbul sind pointiert, er greift oft soziale Themen auf, und er stellt als Türkischstämmiger Fragen, wie sie die autoritär denkenden Staatsvertreter nicht gewohnt sind. "Schnappt ihn euch", soll der Gouverneur von Sanliurfa 2015 nach einer improvisierten Pressekonferenz seinen Polizisten gesagt haben.

Im selben Jahr war Yücel Boris Kalnoky als Türkeikorrespondent der "Welt" nachgefolgt. Yücel hatte den großen Bogen geschlagen: von der linken Berliner Wochenzeitung "Jungle World" und der "taz", wo er 13 Jahre als Redakteur arbeitete, zur Welt, dem konservativen Flaggschiff des Axel-Springer-Verlags. Der Polizei stellte sich Yücel selbst. Dem sollen mehrere Wochen Schutzasyl in der deutschen Kulturakademie im Istanbuler Stadtviertel Tarabya vorausgegangen sein. (Markus Bernath, 20.2.2017)