STANDARD: Die Bekanntgabe der Amtsübergabe ist auffallend emotionslos verlaufen. Ist bei der ÖVP Oberösterreich mittlerweile so wenig Gefühl im Spiel?
Stelzer: Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber in mir war genügend Emotion. Auch wenn die Dinge für mich länger geplant waren: Am entscheidenden Tag wird einem doch sehr bewusst, was da alles an Erwartungen und Verantwortung auf einen zukommt. Aber auch in emotionalen Situationen einen klaren Blick zu behalten macht eben einen guten Politiker aus.
STANDARD: Durch eine undichte Stelle in der Bundes-ÖVP sickerten die Rückzugspläne vorzeitig an die Öffentlichkeit. Inwieweit hat das die Inszenierung zerstört?
Stelzer: Damit beschäftige ich mich nicht mehr. Für die oberösterreichische Volkspartei hat es gut geklappt.
STANDARD: Nochlandeshauptmann Josef Pühringer hat dem Amt alles untergeordnet – ist so ein Amtsverständnis für Sie eher Vorbild oder Warnung?
Stelzer: Geerdet und stets unter den Menschen zu sein ist für mich durchaus vorbildhaft. Nur im direkten Kontakt kriegst du als Politiker die Sorgen und Wünsche der Menschen mit. Und du kannst als Landeshauptmann eben nicht am Abend beim Landhaus hinausgehen, und dann ist die Arbeit erledigt. Landeshauptmann ist man immer und überall.
STANDARD: Fordern die Menschen tatsächlich diese Präsenz ein – oder meint man nur als Politiker, überall dabei sein zu müssen?
Stelzer: Das hat bitte nichts mit einem übersteigerten Politiker-Ego zu tun. Die Menschen fordern sehr wohl ein, dass du als Landeshauptmann eben auch erreichbar und persönlich greifbar bist. Und ich will das auch. Man darf als Politiker ja nicht der Gefahr erliegen, dass man in so einer Art Kunstwelt lebt, wo die Politik mit Experten und vielleicht noch Journalisten um sich selbst kreist – und das dann für die wahre Wirklichkeit hält. Der Kontakt zu den Menschen bewahrt mich davor. Wenn Sie so wollen: Der Stammtisch ist mein Selbstschutz.
STANDARD: Viele Jahre hatten Sie vor allem den Ruf als schwarzer "Handtaschlträger" – immer lächelnd in der zweiten Reihe, nie ein böses Wort über die Partei. Stört Sie dieses Image?
Stelzer: Nein. Es ist immer die Erfolgsstrategie der oberösterreichischen ÖVP gewesen, einen Frontmann zu haben, dem das Team zuarbeitet. Dem ist natürlich geschuldet, dass manche nicht so glänzen können.
STANDARD: Sie sind aber, bis auf ganz wenige Ausnahmen, nie mit kantigen Ansagen aufgefallen. Und selbst bei diversen innerparteilichen Reibereien sollen Sie, laut ÖVP-Kollegen, meist nur lächelnder Zaungast gewesen sein. War das politisches Kalkül, weil Sie gewusst haben, dass ihr Tag kommen würde? Oder sind Sie einfach der Mann mit der Friedenspfeife?
Stelzer: Ich bin bitte Nichtraucher. In meinen bisherigen Funktionen habe ich mich sehr bestimmt eingebracht. Aber es fällt halt immer der auf, der ganz vorn steht.
STANDARD: Die erste Reihe gehört ja bald Ihnen. Werden Sie es jetzt als Landeshauptmann kantiger anlegen? Nur nett wird nicht mehr funktionieren, oder?
Stelzer: Oberösterreich ist ein großes Bundesland. Wir geben sehr viel, wollen aber auch etwas vom Bund. Natürlich muss man sich da gerade in Wien auch entsprechend auf die Beine stellen – in aller Härte und Herzlichkeit.
STANDARD: Sie übernehmen die oberösterreichische ÖVP in durchaus unruhigen Zeiten – man musste einen deutlichen Verlust bei der letzten Landtagswahl 2015 verdauen. Und mit der FPÖ hat man einen neuen, unberechenbaren Partner. Wäre es in der zweiten Reihe nicht deutlich angenehmer gewesen?
Stelzer: Wer in die Politik geht, weil er es angenehm haben will, ist ohnehin fehl am Platz. Aber klar ist, dass die Herausforderungen riesig sind. Die FPÖ ist uns deutlich nähergerückt. Wir sind aber immer noch die klare Nummer eins im Land. Und die Position will ich noch deutlicher ausbauen.
STANDARD: Sie sind einer der Wegbereiter der schwarz-blauen Koalition in Oberösterreich. Eine politische Herzensangelegenheit oder eher eine Zweckgemeinschaft, da die FPÖ deutlich zugelegt hat?
Stelzer: Nach der Wahl war für mich relativ rasch klar, dass es in Richtung FPÖ geht. Und auch in den Verhandlungen hat sich deutlich gezeigt, dass wir in vielen Punkten sehr flott zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen können. Und es funktioniert auch auf menschlicher Ebene gut.
STANDARD: Dennoch gab es, auch parteiintern, viel Kritik am neuen Kurs. Vor allem die Versuche, die FPÖ rechts zu überholen – Kürzung der Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte, die Deutschpflicht in den Schulpausen – haben für viel Wirbel gesorgt. War dies eher ein Verzweiflungsakt nach der Wahl, oder ist dies doch eine schwarze Neuausrichtung?
Stelzer: Die Themen Flüchtlinge und Integration bewegen die Menschen enorm. Und da muss man als Nummer-eins-Partei auch Lösungen auf den Tisch legen. Wir haben, was durchaus ein Fehler war, in den Phasen davor manches in diesem Bereich nicht so klar gesagt oder eben zum Thema gemacht. Und letztlich sind viele unserer Wähler in Richtung FPÖ abgewandert. Jetzt wollen wir diese Dinge anpacken – was nicht immer angenehm ist.
STANDARD: Ihr baldiger Vorgänger Josef Pühringer hat aber beim heurigen ÖVP-Neujahrsempfang eingefordert, "die Mitte als Platz der Vernunft" müsse wieder sichtbarer werden. Das kann man doch als Kurskorrektur werten, oder?
Stelzer: Die Partei in der Mitte zu sein ist immer unser Anspruch als ÖVP. Die Frage ist nur: Ist die Mitte der Gesellschaft immer etwas, was ganz fest verortet ist, oder verschiebt sich das auch in die eine oder andere Richtung – ohne gleich radikal zu werden? (Markus Rohrhofer, 18.2.2017)