Wer in deutschen Verlegerkreisen erzählt, dass in Österreich der Staat den Zeitungen bares Geld in Millionenhöhe zuschiebt, erntet Kopfschütteln. Wer dasselbe in der Schweiz tut, erzeugt sogar rote Köpfe: Wie tief muss ein Verleger sinken, heißt es dort, um Geld vom Staat anzunehmen?

Da sind die Schamgrenzen in Österreich tiefer gelegt. Seit 1975 investiert der Staat in die Förderung der Medien: zuerst nur Zeitungen, später auch Zeitschriften und aktuell Radio, Fernsehen und die Community-Medien. Leer gehen nur jene Medien aus, die keinen Verkaufspreis haben: Online-Medien und die Gratispresse. Letztere gleichen diesen Nachteil aus, indem sie sich mit beiden Händen bei den Inseraten staatsnaher Organisationen bedienen.

Und ganz ehrlich: Fühlt sich das für die Förderungsempfänger wirklich so schlecht an? Aus Verlegersicht ist das Gegenteil der Fall: Gefühlt ist aus der staatlichen Zuwendung ein selbstverständliches Recht geworden. Medienförderung zu kürzen ist in Österreich kein Schritt zur Rückkehr zur Marktnormalität, sondern eine böswillige Beschneidung wohlerstrittener Rechte. Ist das nun Gewöhnung an 40 Jahre Vorzugsbehandlung oder betriebswirtschaftliche Kapitulation vor einem dauerhaft versagenden Markt?

Aus kommunikationswissenschaftlicher und medienökonomischer Sicht ist Letzteres der Fall. Medienförderung kann in einer Marktwirtschaft nur gerechtfertigt werden, wenn sie zum Ausgleich dessen beiträgt, was der Medienmarkt nicht selbst in ausreichendem Ausmaß zustande bringt. Also von Meinungsvielfalt und journalistischer Qualität.

Warum der Markt nicht ausreichend Vielfalt und Qualität liefert, ist medienökonomisch schnell erklärt: Hohen Fixkosten in Redaktionen und Technik stehen sinkende Erträge aus Verkauf und Werbung gegenüber. Die Verkaufserträge fallen, weil sich immer mehr (junge) Menschen mit dem zufriedengeben, was das Internet, die Gratispresse und das Gratisfernsehen kostenlos ausspucken. Und die Werbeerträge fallen, weil die Qualitätsmedien mit den Gratismedien und den sozialen Netzwerken in einem Verdrängungswettbewerb stehen, in dem Letztere die besseren Karten haben. Sinkende Erträge erfordern Kostensenkungen. Gespart wird bei Redaktion und Qualität.

Medienminister Thomas Drozda hat angekündigt, die Medienförderung neu auch auf die Gratismedien auszudehnen. Medienpolitisch ist das angesichts der Geschichte der Kumpanei zwischen Boulevardpresse und der Faymann-Regierung heikel, für Journalistengewerkschafter Franz C. Bauer gar ein "Schlag ins Gesicht jedes denkenden Bürgers".

Medienökonomisch würde eine staatliche Förderung von Gratistiteln zweierlei bedeuten: Erstens würden jene Titel gefördert, deren Geschäftsmodell für einen Teil der existenzbedrohenden ökonomischen Krise der Qualitätsmedien verantwortlich ist. Diese Krise aber ist der einzige rationale Grund, Medien überhaupt staatlich zu fördern. Das systematische Verschenken von redaktionellen Inhalten erzeugt die unzutreffende Illusion, für Journalismus müsse nichts bezahlt werden. Mit kostenlosen Inhalten haben die privaten Fernsehveranstalter in den 1980er-Jahren vorgespurt, und die Online-Medien und Pendlerzeitungen haben nachgezogen. Dass auch Zeitungen, die ihre gedruckten Inhalte verkaufen, gleichzeitig viele dieser Inhalte im Internet verschenken, ist ein betriebswirtschaftliches Paradox.

Zweitens haben die Gratistitel maßgeblich dazu beigetragen, dass die real bezahlten Preise für Inserate gesunken sind. Soziale Netzwerke wie Facebook und Google haben den Preisverfall noch beschleunigt. Für Gratismedien mit ihren kleineren und billigeren Redaktionen, die ausschließlich von Inseraten leben, liefert jedes auch noch so billig verkaufte Inserat direkt Deckungsbeitrag. Den Schaden haben die Kaufzeitungen mit ihren höheren Kosten für die Redaktionen, die im Wettbewerb ihre Inseratenpreise nicht mehr durchsetzen können. Gratistitel zu fördern heizt den Preisverfall weiter an, denn mit den Fördergeldern können die Gratiszeitungen weitere Wettbewerbsvorteile am Inseratemarkt erkaufen.

In der noch geltenden Fassung des Presseförderungsgesetzes sind Gratiszeitungen explizit von der Förderung ausgeschlossen. Dies mit gutem Grund: nicht weil die Verleger in ihrer Lobbyarbeit so erfolgreich gewesen sind (das vielleicht auch), sondern weil eine solche Förderung den ohnehin schon schmalen österreichischen Zeitungsmarkt weiter ausdünnen würde.

Verteilen wie auf dem Balkan

Das alles ist keine Fiktion oder Schwarzmalerei. Was sonst nur in den Balkanstaaten der Europäischen Union üblich ist, nämlich mit Inseraten der öffentlichen Hand den Medien Steuergeld zukommen zu lassen, ist in Österreich geübte und wohldokumentierte Praxis. Pro Jahr fließen auf diesem Weg bis zu 200 Millionen Euro zu den Werbemedien, den Löwenanteil sichern sich Jahr für Jahr die drei Boulevardmedien Kronen Zeitung, Heute und Österreich. Deutlich kleinere Beträge gehen an die Kaufzeitungen. Die Folgen dieser Geldverteilung mit der großen Kelle sind unmissverständlich: Der österreichische Zeitungsmarkt kommt nicht aus der Krise.

Der Drozda-Vorschlag einer "Medienförderung neu" trägt nicht dazu bei, die ökonomischen Probleme der Qualitätsmedien zu lösen, sondern zementiert die Krise. (Josef Trappel, 17.2.2017)