Will mit mehr Europa die Herausforderungen Trump, Brexit und Putin angehen: Währungs- und Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Die EU müsse jetzt zeigen, dass sie eine "soft power" sei.

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Wien – Die Europäische Kommission will den aufkeimenden Nationalismus rund um den Globus mit einer stärkeren europäischen Integration bekämpfen. In welche Richtung die Pläne gehen, die im März präsentiert werden, gab der französische EU-Wirtschafts- und -Währungskommissar Pierre Moscovici bei einem Wien-Besuch am Donnerstag bekannt. Der 59-Jährige ist seit 2014 Wirtschafts- und Währungskommissar in der Kommission Juncker. Zuvor war er französischer Finanzminister.

STANDARD: Sie wollen, dass die EU näher zusammenrückt. Wie?

Moscovici: Es gibt riesige Herausforderungen, etwa den Brexit, die Migrationskrise, den Populismus, in Österreich kennt ihr euch damit ja aus. Wir müssen an der Wirtschafts- und Sozialfront jetzt resolute Fortschritte machen. Dazu brauchen wir einen EU-Finanzminister, der auch ein eigenes Budget hat, und eine gemeinsame Sicherung der Spareinlagen.

STANDARD: Ist das in der jetzigen Stimmungslage nicht ein gefährliches Spiel, das Sie da treiben?

Moscovici: Gefährlich wäre es, dort zu bleiben, wo wir jetzt sind. Wir können nicht ausreichend Wachstum schaffen, die Länder rücken wirtschaftlich nicht näher zusammen, nicht bei den Arbeitslosen, nicht bei den Defiziten. Wenn das so weitergeht, dann lehnen die Menschen die EU wirklich ab.

STANDARD: Was heißt denn ein Präsident Trump für die Eurozone?

Moscovici: Die Wahl von Trump ist eine Herausforderung von vielen, einige kommen von uns, etwa mit dem Brexit, andere aus Russland, wo Gefahr von Herrn Putin ausgeht. Ihn verbindet mit Trump die Versuchung, die EU auseinanderzudividieren und zu schwächen. Wir können jetzt wählen: Wollen wir Trump und Putin glücklich machen? Oder schaffen wir eine kollektive Antwort und zeigen, dass die EU eine "soft power" in der Globalisierung ist und die Eurozone zusammenarbeitet?

STANDARD: Die Trump-Regierung hat Deutschland für seinen hohen Handelsüberschuss scharf kritisiert. Das müsste Ihnen gefallen.

Moscovici: Ich würde die Trump-Regierung nie dabei unterstützen, wenn sie ein Mitgliedsland attackiert. Noch dazu, wenn es sich dabei um Deutschland handelt. Sie hat auch die EZB attackiert. Diese ist unabhängig und muss respektiert werden. Auf der anderen Seite ist es aber auch klar, dass die deutschen Überschüsse in der Leistungsbilanz ein Ungleichgewicht sind, dem wir uns widmen müssen. Wenn wir mehr Wachstum in Europa wollen, müssen wir das angehen. Bislang hatten wir mit unserer Kritik aber zugegebenermaßen wenig Erfolg.

STANDARD: Werden sich Brüssel, Athen und der IWF bald einigen?

Moscovici: Die Parameter sind jetzt auf dem Tisch. Wenn sich alle Beteiligten ein bisschen bemühen, schaffen wir es. Ich war gestern bei Alexis Tsipras in Athen, er ist bereit, auf uns zuzukommen, wenn es Möglichkeiten gibt, Jobs zu schaffen. Ich bin hoffnungsvoll, es bleibt aber noch einiges zu tun. (Andreas Sator, 16.2.2017)