Wien/Paris/Rüsselheim/London – Die Ankündigung von Peugeot, die General-Motor-Tochter Opel kaufen zu wollen, sorgt für Unruhe bei Europas Autoherstellern. Besonders betroffen: das GM-Motorenwerk in Wien-Aspern. Dort ist die Unsicherheit seit Jahren quasi ständiger Begleiter. Denn fix ist – völlig losgelöst von den Übernahmegelüsten der französischen Peugeot-PSA-Gruppe: 2018 läuft die vor 20 Jahren angesiedelte Motorenproduktion im 22. Bezirk aus und soll, so die Hoffnung – von einer Getriebeproduktion für den GM-Konzern abgelöst werden. So heißt es seit bald zwei Jahren, bestätigt oder gar festgezurrt wurde dies seitens des US-Eigentümers aber ebensowenig wie dementiert.

Die Benzinmotorenproduktion sollte ins ungarische Szentgotthard verpflanzt werden (Dieselantrieb wurde in Aspern nie gebaut). Es stehe nicht fest in welches Werk, korrigiert eine Sprecherin von Opel Wien. Fix ist nur, dass sie in Wien ausläuft. Wiewohl im GM-Werk Aspern neben Opel- stets auch Motoren für andere Autobauer gefertigt wurden – die Abtrennung der Traditionsmarke Opel von GM bedeutet Ungewissheit für rund 1400 Beschäftigte.

Opel-Standorte haben Priorität

Während man in Wien abwartet, ist die Politik in Deutschland voll in Saft: "Das Bundeskabinett hat das Thema Opel intensiv diskutiert", sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in Berlin. Sie forderte die GM-Leitung auf, das Gespräch mit dem Opel-Betriebsrat zu suchen. Oberste Priorität habe die Sicherung der drei Opel-Standorte Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern. Der Chef der Peugeot-Gruppe PSA, Carlos Tavares, plane ein Treffen mit Angela Merkel, sagte ein Sprecher.

GM-Chefin Mary Barra wirbt laut Bericht der Allgemeinen Zeitung Mainz in einem Brief an die Opel-Mitarbeiter für einen Verkauf des Autobauers an PSA. Zwar gebe es keine Garantie für eine Einigung, ein möglicher Deal würde "die PSA-Gruppe sowie Opel/Vauxhall aufgrund der sich ergänzenden Stärken beider Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Position auf dem sich rasch verändernden europäischen Markt zu verbessern", so die GM-Chefin. GM und PSA würden damit ihre jeweiligen strategischen Möglichkeiten voll ausschöpfen. Vor allem das PSA-Vertriebsnetz könnte für Opel wertvoll sein.

Überall Überkapazitäten

"Da tun sich zwei zusammen, die das Gleiche produzieren, den gleichen Markt abdecken und wahrscheinlich Überkapazitäten haben. Da werden mit Sicherheit Werke auf der Strecke bleiben, und das werden mit Sicherheit keine französischen Werke sein", prophezeit Rainer Einenkel, ehemals Betriebsratschef des inzwischen geschlossenen Opel-Werks in Bochum. Klaus Franz, bis 2011 Gesamtbetriebsratschef bei Opel, sieht Eisenach und Kaiserslautern in Gefahr. "Die französischen Gewerkschaften werden sich von ihren deutschen Kollegen nicht in die Suppe spucken lassen." Die Überkapazitäten lägen in Deutschland. "PSA hat in den vergangenen Jahren 10.000 Arbeitsplätze abgebaut und ein großes Werk bei Paris dicht gemacht", gibt er zu bedenken.

Auch die Regierung in London hat Kontakt zum führenden US-Autobauer GM aufgenommen. Ihr geht es um die Schwestermarke Vauxhall, zuletzt wie Opel in der Verlustzone mit 4500 Beschäftigten in Liverpool und Luton.

Analyst sieht Synergien

Mit Opel käme PSA auf 4,6 Millionen Autos im Jahr. Mit 16 Prozent Marktanteil lägen Opel, Vauxhall, Peugeot, Citroën und DS weit vor Renault. Der Pariser Autoanalyst George Galliers sieht Synergien von Opel und PSA in Administration und Einkauf ebenso wie bei Investitionen und Händlernetzen. Bei der Jahresbilanz nächste Woche könnte Tavares darlegen, ob es eine Fusion, Übernahme oder Überkreuzbeteiligung wird. Alternative wäre, bestehende Kooperationen zu vertiefen.

Seit langem steht fest, dass der Opel Zafira bei Peugeot in Sochaux hergestellt wird und der Citroën-Picasso bei Opel in Saragossa. Experten erwarten ein Gemetzel bei den Kleinwagenwerken von Opel Corsa, Adam und Karl, Peugeot 108 und 208 sowie Citroën C1 und C3. Opel Astra und Insignia hätten bessere Chancen gegen Peugeot 308 und 508. (ung, brä, Reuters, dpa, 15.2.2017)