"Nichts ist in der Politik so hart wie Frauenpolitik", sagte Sabine Oberhauser im Juni 2016 im Gespräch mit dem STANDARD.

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Sabine Oberhauser und Familienministerin Sophie Karmasin im März 2015 bei einer Sitzung des Nationalrats.

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Wien – Sich zu verstecken, war für Sabine Oberhauser nie eine Option. Mit ihrer Erkrankung – im Februar 2015 wurde Unterleibskrebs diagnostiziert – ging die Gesundheitsministerin von Anfang an offensiv um. Via Facebook informierte sie die Öffentlichkeit laufend über ihren Gesundheitszustand.

"Ich wollte die Herrin meiner Diagnose sein. Ich wollte selbst kommunizieren und nicht, dass jemand anderer, auch kein Primararzt, darüber spricht", sagte sie in einem Interview. Selbstbewusst verzichtete sie nach der Chemotherapie auf eine Perücke und präsentierte sich mit Glatze. Sie habe schon alle möglichen Frisuren gehabt, nun eben wieder eine andere, nahm sie ihre Erkrankung mit Humor. Stets war sie bemüht, anderen krebskranken Menschen Mut zu machen.

Offene Art

Offenheit zeichnete die am 30. August 1963 geborene Wienerin aber nicht nur im Zusammenhang mit ihrer Kommunikationspolitik aus. Ein distanziertes Auftreten, das viele Politiker an den Tag legen, war ihr fremd. Ihrer einnehmenden Art konnte sich kaum jemand entziehen, auch nicht dem Du-Wort, das sie schnell anbot.

In die Spitzenpolitik verschlug es die in Ottakring in einer Gemeindewohnung aufgewachsene Oberhauser erst relativ spät. Nach der Matura studierte sie Medizin an der Universität Wien. Unmittelbar nach der Promotion 1987 kam die erste von zwei Töchtern, die sie mit dem Radiologen Gerold Oberhauser hat, zur Welt. Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen war also von Anfang ihrer beruflichen Laufbahn an Thema.

Wechsel in die Gewerkschaft

1997 absolvierte sie die Ausbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde und zur Allgemeinmedizinerin. Ein Jahr später war sie die erste Ärztin, die sich als Personalvertreterin in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten freistellen ließ, um sich ganz der Interessenvertretung der angestellten Ärzte zu widmen.

Ihrer Mutter machte sie den Wechsel mit dem Argument schmackhaft, dass der Politikerberuf besser vereinbar sei mit der Erziehung ihrer damals acht- und elfjährigen Töchter, weil die Nachtdienste wegfielen. "Darüber lachen Mama und ich heute noch – als Politikerin bin ich noch viel weniger zu Hause, nämlich so gut wie nie", schilderte Oberhauser im Jahr 2014.

Nur auf die Politik wollte sie sich aber nie verlassen. 2002 machte sie eine Zusatzausbildung an der Wirtschaftsuniversität zur akademischen Krankenhausmanagerin, im Jahr darauf absolvierte sie den Masterstudiengang in Gesundheitsmanagement an der Donau-Uni Krems.

Förderer Hundstorfer

Unterstützt und gefördert wurde der Wechsel in die Personalvertretung von Rudolf Hundstorfer, der damals in Wien leitender Referent der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten war. Der spätere ÖGB-Chef, Sozialminister und SPÖ-Präsidentschaftskandidat sollte sich über lange Jahre als Mentor Oberhausers herausstellen.

Ohne Hundstorfer hätte sie es 2006 nicht in den Nationalrat geschafft, erzählte sie später. Von ihm lernte sie auch, wie wichtig Netzwerken in der Politik ist, obwohl Oberhauser stets betonte, nicht einer bestimmten "Partie" innerhalb der Sozialdemokratie anzugehören. Als Gesundheits- und Sozialsprecherin der SPÖ erwarb sie sich den Ruf einer harten, aber auch fairen und stets auf Lösungen ausgerichteten Verhandlerin. Auf öffentliches Poltern und das reine Produzieren von Schlagzeilenpolitik verzichtete sie weitgehend.

Aufstieg im ÖGB

Rasch wuchs auch ihr Einfluss in der Gewerkschaft. Ab 2009 war sie Vizepräsidentin, ab 2013 Vorsitzende der ÖGB-Frauen. Zur Ministerin stieg die Sozialdemokratin im Zuge der Personalrochaden nach dem Tod von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Sommer 2014 auf.

In ihrer Amtszeit wurde das komplette Rauchverbot in der Gastronomie beschlossen (es tritt im Mai 2018 in Kraft). Obwohl oder vielleicht gerade weil sie selbst jahrelang als Ärztin tätig war, scheute sie nicht den Konflikt mit der Ärzteschaft. Seit dem Vorjahr dürfen die Krankenkassen Mystery Shopper, also Testpatienten, einsetzen, um Sozialbetrug durch Ärzte besser aufdecken zu können. Stets verteidigt wurde von Oberhauser auch der Ausbau von Primärversorgungszentren, gegen die die Ärztekammer seit Monaten mobilmacht.

Frauenministerin unter Kern

Die Frauenagenden in der Regierung übernahm Oberhauser, die seit 2004 auch Vorstandsmitglied des Vereins der Wiener Frauenhäuser war, erst im Mai des Vorjahrs unter dem neuen Kanzler Christian Kern. Im STANDARD-Interview sagte sie damals: "Nichts ist in der Politik so hart wie Frauenpolitik."

Im neuen Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP findet sich der langjährige Wunsch der roten Frauen nach Quoten in Aufsichtsräten wieder. Als Nächstes brauche es zusätzliche Maßnahmen, um den Frauenanteil im Parlament zu heben, deponierte Oberhauser erst Anfang Februar.

Kurz darauf musste die Gesundheitsministerin wegen einer Bauchfellentzündung wieder ins Krankenhaus. Ihre Arbeit als Ministerin versuchte sie, solange es ging, zu erledigen. Erst am 15. Februar wurde Sozialminister Alois Stöger beauftragt, sie vorübergehend zu vertreten. Ihre auf Facebook legendär gewordenen Wetterberichte von den frühmorgendlichen Spaziergängen konnte sie zuletzt nicht mehr selbst verfassen. Das müssen jetzt ihre Freunde und Freundinnen übernehmen.

Sabine Oberhauser verstarb am Donnerstag im Alter von 53 Jahren. (Günther Oswald, 23.2.2017)