Gegner bezeichnen das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada als Trojanisches Pferd. Am Rande der entscheidenden Abstimmung im Europaparlament in Straßburg bezogen sie noch einmal Stellung.

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Ein EU-Parlamentarier bei der Abstimmung. Schlussendlich fiel das Ja zu Ceta deutlich aus.

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Straßburg – Das EU-Parlament in Straßburg hat am Mittwoch endgültig grünes Licht für das umstrittene Freihandelsabkommen mit Kanada gegeben. Mit 408 Zustimmungen fiel die Mehrheit relativ deutlich aus. 254 Abgeordnete stimmten dagegen, es gab 33 Enthaltungen. Damit können jene Teile von Ceta, die unter EU-Verantwortung fallen, vorläufig in Kraft treten.

Die Debatte im Parlament hatte sich zuvor großteils emotional gestaltet. Die Bewertungen des Freihandelsabkommens bewegten sich zwischen Befürwortern, die in Ceta einen "Leuchtturm" sahen, und Gegnern, die einen "stillschweigenden Staatsstreich" befürchten.

Malmström: "Protektionismus ist keine Antwort"

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström betonte, es gebe zahlreiche Verbesserungen durch das Abkommen. So würden ab Tag eins "fast alle Zölle abgebaut". Das sei vor allem für Klein- und Mittelbetriebe wichtig. Bedenken über weniger Sicherheit für Nahrungsmittel wies sie zurück. Auch könnten Regierungen öffentliche Dienstleistungen weiter erbringen oder auch zurück erlangen, und die Privatisierung von Wasser könne auch "ermöglicht oder vermieden werden". Malmström warf den Kritikern vor, dass diese auch die Fundamente der EU infrage stellten. Protektionismus, das Aufbauen von Hindernissen und Mauern sei keine Antwort, sehr wohl aber gute und faire Handelsabkommen.

Der lettische Abgeordnete Artis Pabriks, einer der Berichterstatter des Parlaments zu Ceta, hatte den Handelsvertrag zuvor mit glühenden Worten verteidigt. Damit würden "goldene Standards" für künftige Verträge gesetzt. Ceta sei der "Lakmustest für die Politik der EU. Wir stehen am Scheideweg." Statt Protektionismus zu betreiben, solle die EU die Führung übernehmen. Handelsabkommen seien kein Allheilmittel und keine Medizin gegen alle Krankheiten. Ceta sei umfassend, werde aber nicht alle Probleme lösen. Trotzdem sei das Vertragswerk ein "Leuchtturm, der nicht erlöschen darf".

Parlamentspräsident Antonio Tajani versuchte angesichts der teils hitzigen Diskussion beruhigend einzuwirken. "Ich weiß, wir haben heute eine besonders heikle Aussprache." Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber sprach von einer Diskussion zwischen Angstmachern und Faktentreuen. Der Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, warf er vor, für Frankreich eine "komplette Abschottung" herbeizuführen und den Bauern und Arbeitnehmern Angst zu machen.

"Sind nicht in einer Kaserne"

Den Sozialdemokraten warf Weber Orientierungslosigkeit vor – "die Hälfte von ihnen ist für und die andere gegen Ceta. Die Sozialdemokraten sind tief gespalten." Und die Grünen müssten sich ganz kritisch fragen, ob sie sich in guter Gesellschaft mit Le Pen und den Kommunisten befänden, die Stimmung gegen Ceta machen. Im Gegensatz zu US-Präsident Donald Trump, der Mauern aufbauen wolle, werde die EU "Brücken bauen".

Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Gianni Pittella, warf Weber mangelnden Respekt vor. Freier Austausch der Meinungen sei wichtig, "wir sind nicht in einer Kaserne und werden es auch nie sein". Pittella tat sich allerdings schwer, die Haltung der Sozialdemokraten auf einen Punkt zu bringen. "Für uns ist Ceta nicht ein Modell, sondern nur der Anfang des Wandels in der europäischen Handelspolitik. Wir stimmen dafür, nicht weil wir etwas bewahren wollen, sondern weil wir den Wandel wollen." Dem kanadischen Premier Justin Trudeau dankte Pittella, weil "er an unserer Seite im Kampf gegen den Virus von Populismus und Isolationismus steht".

Kritik von links

Anders Anne-Marie Mineur für die Linken im EU-Parlament. "Wir liefern uns den Multis aus und schwächen den Rechtsstaat und setzen die Demokratie aufs Spiel. Ceta ist eine Bedrohung für uns alle", so Mineur. Die Landwirte lasse man über die Klinge springen.

Der grüne Abgeordnete Yannick Jadot wütete verbal gegen Ceta. "Wir brauchen eine Regulierung der Globalisierung, wenn wir nicht wollen, dass Europa auseinander bricht, wenn wir keine weiteren Trumps und Rechtsextreme wollen".

Marine Le Pen warnte davor, dass Ceta "hunderttausende Arbeitsplätze zerstören" werde, viele davon in Frankreich. Die Bevölkerung werde die "Lügen" der Ceta-Befürworter nicht glauben. Es sei ein "schlechtes Abkommen gegenüber den Bürgern". Das "einzig Gute ist, dass die Franzosen die Möglichkeit haben, das rückgängig zu machen bei der Präsidentenwahl im Mai".

Demonstration verzögerten Sitzung

Der Beginn der Parlamentssitzung war Mittwochfrüh durch eine Demonstration von Ceta-Gegnern verzögert worden. Vor dem Gebäude hatten sich hunderte Demonstranten versammelt, ketteten sich aneinander, legten sich auf den Asphalt vor dem Eingang und hinderten damit zahlreiche Abgeordnete, rechtzeitig ins Parlament zu gelangen.

Nach der Zustimmung des EU-Parlaments müssen Bereiche in nationaler Zuständigkeit, wie der umstrittene Investorenschutz, noch von den nationalen Parlamenten der 28 EU-Staaten einzeln ratifiziert werden. Erst danach tritt Ceta endgültig in Kraft. Eine Frist dafür gibt es nicht. Die EU-Staaten können nur zustimmen oder ablehnen, Nachverhandlungen sind nicht mehr möglich.

Ratifizierung steht erst bevor

In Österreich müssen Nationalrat, Bundesrat und Bundespräsident das Abkommen ratifizieren. Der Bundespräsident könnte ein Veto einlegen, wozu allerdings ein hinreichender Grund notwendig wäre. Falls ein Parlament eines EU-Landes die Ratifizierung verweigert, kann Ceta nicht in Kraft treten. Es ist auf EU-Ebene nicht geregelt, was dann passiert. Vermutlich muss dann der EU-Ministerrat darüber entscheiden, ob Ceta endgültig gescheitert ist. Das letzte Wort spricht der Europäische Gerichtshof. (APA, red, 15.2.2017)