Ist es der Anfang vom Ende oder eher das Ende vom Anfang? Eine nüchterne Lesart der US-Außenpolitik der vergangenen Tage legt Letzteres nahe. Der Abgang des Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn mag der jüngste Stolperstein auf dem holprigen Weg Donald Trumps in die Präsidentschaft gewesen sein. Dennoch ist der ungeordnete Rückzug des Drei-Sterne-Sonderlings als gutes Zeichen zu werten. Es bedeutet: Das System erfängt sich. Der von Flynn personifizierte Zickzackkurs muss außenpolitischer Berechenbarkeit weichen. War der Übergang bisher "unprecedented" und "unpresidented" – unerhört und ungeführt -, neigt sich diese Phase zumindest in den internationalen Beziehungen tatsächlich ihrem Ende zu.

Die Belege dafür sind nicht zu übersehen: Seit wenigen Tagen ist mit Außenminister Rex Tillerson der dritte wesentliche Spieler in der US-Außen- und Sicherheitspolitik neben dem Pentagonchef und den Beratern im Weißen Haus im Amt. Seither erscheint Präsident Trump außenpolitisch deutlich anders gepolt – ganz so, als hätte man ihm einen Kompass mit US-Interessen in die Hand gedrückt, um sich selbst einzunorden.

Statt weiterhin seinen eher kreativen Zugang zu Auswärtigem zu pflegen, zog sich Trump auf bekannte US-Positionen zurück: In der Chinafrage vollzog er einen 180-Grad-Schwenk zurück zur Ein-China-Politik und führte "ein sehr gutes Telefonat" mit Staatschef Xi Jinping. Dem vorher so umworbenen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ließ er vor dessen Besuch heute, Mittwoch, in Washington ausrichten, dass "das Vorantreiben der Siedlungen nicht gut für den Frieden" sei. Die iranischen und nordkoreanischen Provokationen durch Raketentests erzeugten keine überschäumenden Gegenreaktionen Trumps. Auch die Erklärung seiner UN-Botschafterin, dass die Situation in der Ukraine "eine klare und scharfe Verurteilung des russischen Verhaltens" nötig mache, blieb im Weißen Haus unwidersprochen. Und mit dem japanischen Premier Shinzo Abe schließlich spielte Trump friedlich Golf und trieb ihn nicht wegen Tokios Handelsbilanzen in das Harakiri.

Das alles lässt berechtigt hoffen, dass vernünftige Kräfte wie Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis im – in jeder US-Regierung schwierigen – Dreiecksverhältnis die Oberhand über die politischen Desperados im Weißen Haus behalten.

Genau davon werden Tillerson und Mattis in dieser Woche, auch angesichts weiterhin zu erwartender sporadischer Querschüsse aus dem Weißen Haus, Bündnispartner wie Rivalen überzeugen müssen. Der Außenminister bei einer G20-Konferenz in Bonn, bei der es vor allem um den Freihandel gehen soll. Der Verteidigungsminister zuerst bei der Nato in Brüssel, die ihm nicht als "obsolet" (Trump) gilt, deren Lastenverteilung den Amerikanern aber schon lange – und zu Recht – ein Dorn im Auge ist. Danach reist Mattis zur Sicherheitskonferenz nach München weiter, um sich dort mit Vizepräsident Michael Pence erstmals außenpolitisch von den Russen, den Iranern und vielen mehr beschnuppern zu lassen.

Flynn wird nicht mehr dabei sein – eine gute Nachricht für die Regierung Trump, Verbündete und auch Gegner der USA. Die politische Luft ist dadurch quasi wieder reiner geworden, die Zäsur seines Rücktritts stellt die Chance auf einen (Wieder-)Beginn berechenbarer US-Außenpolitik dar. (Christoph Prantner, 14.2.2017)